Theorie:

Karl Kraus (1874 - 1936)
Kraus wurde bereits im Rahmen der Literatur zur Jahrhundertwende behandelt, der Vollständigkeit halber seien kurz noch einmal die wichtigsten Fakten erwähnt. Er gehörte zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Ära der untergehenden Habsburgermonarchie und kritiserte mit beißender Ironie und treffendem Spott Zeit und Menschen, blieb aber bei allem Pessimismus doch lebensbejahend.

Er gründete 1899 die polemische Literaturzeitschrift "Die Fackel", wovon ein großer Teil der Artikel aus seiner Feder stammte. Sein unerbitterlicher Kampf gegen das Herabsinken der Wortkunst hatte großen Einfluss auf seine Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, besonders auf die jüngeren, von denen er manche förderte, wie u. a. Franz Werfel und Georg Trakl.
Georg Trakl (1887 - 1914)
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Trakl stammt aus Salzburg, studierte in Wien und lebte dann in Innsbruck. An dem großen Morden ist Trakl innerlich zerbrochen - er starb im ersten Kriegsjahr (1914) in einem Lazarett in Krakau mit erst siebenundzwanzig Jahren, er konnte die Schrecken des Krieges nicht mehr ertragen. Die Schlacht bei Grodek war sein letzter, fürchterlicher Eindruck, "Grodek", eine gewaltige Totenklage, sein letztes Gedicht.

Der Tod und seine Verherrlichung steht über der gesamten Lyrik des frühvollendeten Dichters. Trakl ist ein prophetischer Lyriker, der das abgründige Chaos seiner Zeit, das Kranke und Faule des Kulturverfalles, erkannt hat und nach dem Neuen sucht, es aber nicht in dieser Welt finden kann. Deshalb bejaht und liebt er den Tod als Erlösung von allen bösen Mächten. Durch das Absterben alles Leiblichen und Irdischen wird das Geistige und göttliche frei. Trakls gesamtes Werk ist eine großartige Vision des Zusammenbruches des Abendlandes.

Aus dieser Lebens- und Welteinstellung des Dichters sind die Hauptthemen seiner Lyrik unschwer zu erkennen: er ist ein Dichter des Leidens, der Schwermut, des Todes. Seine Elemente sind der Herbst, in dem die Natur stirbt, die Vergänglichkeit alles Seins symbolisierend. Verwesung und Verfall sieht er auch in seiner Heimatstadt, dem prunkvollen Bischofssitz. "Verfall" nennt er ein Gedicht, das nicht die barocken Paläste, sondern die Einsamkeit des Petersfriedhofes besingt, die Vergänglichkeit, die jedes Gemäuer bedroht und zum Verfall bringt.

Erst nach Trakls Tod erschienen die Sammlungen seiner Gedichte - zu seinen Lebzeiten waren nur Einzelveröffentlichungen in einer Literaturzeitschrift sowie die Bände "Gedichte" und Sebastian im Traum" erschienen. Erst 1948 erfolgte die dreibändige Gesamtausgabe des nach dem Zweiten Weltkriege wieder zu besonderem Ansehen gekommenen Lyrikers. 1952 wurde sogar ein Trakl-Preis gestiftet, der an junge, begabte Lyrikerinnen und Lyriker verliehen wird.

Mit seiner einfachen, schwermütigen, bilderreichen und sprachlich doch schlichten Dichtkunst gehört Trakl in die Reihe der größten lyrischen Schriftstellenden. "Verklärter Herbst", "Im Winter" und "Ein Winterabend" sind allgemein bekannt gewordene Gedichte. 
Eine Sprachprobe:

"Sommer"

Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.

Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der
Grille Erstirbt im Feld.

Nimmer regt sich das
Laub Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.

Still leuchtet die
Kerze Im dunklen Zimmer,
Eine silberne Hand
Löscht sie aus;

Windstille, sternlose Nacht.
 
Jakob Wassermann (1873 - 1934)
 
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Wassermann wurde in Bayern geboren und ließ sich nach längerem Wanderleben in Österreich nieder. Er ist kein reiner Expressionist, wurzelt aber im Boden der Ausdruckskunst. Psychologisch und besonders psychoanalytisch gebildet versucht er in weitausgespannten Reflexionen das Seelenleben des Menschen zu zergliedern.

Bisweilen verliert er sich dabei ins Derbsinnliche und greift zu unwahrscheinlichen Spannungen und Sensationen. Somit schwankt auch der künstlerische Wert seiner Romane, aber es geht ihm durchwegs um einen idealen Gedanken: die Veredelung der Menschheit durch Leiden, die Verwirklichung der Gerechtigkeit und die Überwindung der Herzträgheit.
 
Er führt in die Niederung des menschlichen Daseins, um dann die Läuterung erfolgen zu lassen - die metaphysische Kraft Dostojewskis fehlt ihm dazu allerdings.
  
"Die Juden von Zirndorf"
In diesem frühen Roman ist ein mystischer Schwärmer und Träumer der Held, der auf Abenteuer geht, menschliche Niedertracht erfährt und überwindet und schließlich zum Vertreter und Verkünder des neuen Menschen der Liebe wird.

"Caspar Hauser"
Ein Findling, der wegen seiner geheimnisvollen Herkunft in ein Gewirr von Intrigen gerät und lange schon, bevor er ermordet wird, innerlich tot ist.
 
  
Quellen:
Schenk, I. (2015): DEUTSCH. Lehrbrief 31, Dr. Roland GmbH, 2. Auflage, Wien
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AGeorgTrakl.jpg (15.6.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AKolliner_%E2%80%93_Jakob_Wassermann.jpg (16.6.2016)