Theorie:

Das Junge Wien
 
War eine literarische Bewegung in Wien rund um die Jahrhundertwende, die sich vornehmlich in Wiener Cafés wie dem Griensteidl oder dem Café Central abspielte ("Kaffeehausliteratur").
 
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Kaffeehäuser wie das Café Griensteidl waren ein wichtiger Treffpunkt der Literaten
 
Der Mentalität der Menschen Österreichs und besonders Wiens entsprach die Wesensart des Fin de Siécle bzw. des Impressionismus. Sie haben Sinn für die Feinheiten der Stimmung, der Farbe, des Gefühls und der Musik, sie lieben den gepflegten Vers und die schöne Form.

Die romantische Angst vor der Gewöhnlichkeit treibt die Menschen in den Versuch, vor dem Versinken im bürgerlichen Alltag und vor dem Tod einen Rausch von Glück und Schönheit noch einmal auszukosten. Man kämpft nicht gegen das Schicksal an, sondern verliert sich in Stimmungen ohne Tatkraft.

Die Wiener Literatur der Jahrhundertwende kennzeichnet ein Ineinanderwirken von Impressionismus, Neuromantik und Symbolismus.
 

Größten Einfluss übte in Wien die Lehre des Nervenarztes Sigmund Freud aus, der mit seiner Psychoanalyse die Aufmerksamkeit auf die unbewussten Abgründe der menschlichen Seele lenkte. Aus vielen Dichtungen dieser Zeit spricht auch ein melancholisches Vorausahnen der Verfalls der alten Kultur.

Diese Dekadenzstimmung (siehe auch Theoriekapitel Dekadenzdichtung) veranlasst die Dichterinnen und Dichter zu einer Betrachtung des eigenen Innenlebens oder zu einer Flucht in ein schönes Spiel mit den Dingen des Daseins, um die Abgründe des Verfalls zu vergessen. Die Werke der österreichischen Dekadenz sind wehmütige Epiloge einer zu Ende gehenden Welt - der Donaumonarchie.
Hermann Bahr (1863 - 1934)
 
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Bahr stammt aus Linz, er spielte im Wiener Literaturkreis eine bedeutsame Rolle. Er war immer ein Vertreter des Neuen und erkannte mit untrüglichem Blick echte Begabungen, so beispielsweise Klimt, Hofmannsthal und Hugo Wolf. Kein Mann von heute, sondern einer von übermorgen, wurde er genannt.

Dies befähigte ihn zum Kritiker der Gegenwart; in Aufsätzen und Essays, aber auch in Erzählungen und Dramen legte er seine Anschauungen nieder. Er war der typischste Vertreter des wienerischen Impressionismus, aber ohne Dekadenzproblematik, heiter und liebenswürdig.
 
Bühnendichtung
Der leichte, witzige Stil seiner Komödien mischte Schönheit, Anmut und feine Ironie und errang seinen Werken große Beliebtheit. Am berühmtesten wurde:
 
"Das Konzert", ein heiteres Spiel um eine Künstlerehe
Der Pianist Gustav Heink, ein gefeierter Künstler und Frauenliebling, begibt sich mit einer Schülerin auf eine Berghütte: seiner Gattin aber spiegelt er eine Konzertreise vor. Sie durchschaut ihn jedoch und fährt ihm mit Dr. Jura, dem Gatten dieser Schülerin, nach. Schließlich kommen die richtigen Ehepaare wieder zusammen, wenngleich zu vermuten ist, dass dieses "Konzert" nicht das einzige dieser Art im Leben des Künstlers ist.
 
Das Stück erfreut sich nicht nur auf der Bühne großer Beliebtheit, sondern wurde auch schon mehrmals verfilmt.
Andere, auch heute noch gelegentlich zum Repertoire der Bühnen gehörende Stücke, sind z.B. "Taschaperl", "Wienerinnen" oder "Der Franzl".
 
Romane
In einem Zyklus von zwölf Kulturromanen sucht Bahr ein umfassendes Bild des österreichischen Wesens in psychologisch fein gezeichneter Art festzuhalten. Dieses Kulturbild reicht von der altösterreichischen Vorkriegszeit bis in die Nachkriegszeit des neuen Österreich.

Vollendet wurden nur sieben Bände, der erste ist "Die Rahl", der Roman einer großen Burgschauspielerin, der letzte "Österreich in Ewigkeit". "Theater", ein Roman aus dem Wiener Theatermilieu, behandelt die Dämonie, Verzauberung, Herrlichkeit und Verruchtheit dieser Welt von Sein und Schein.
 
 
Quellen:
Mayer, Stephanie (2015): DEUTSCH. Literaturgeschichte 2, Dr. Roland GmbH, 8. Auflage, Wien
Schenk, I. (2015): DEUTSCH. Lehrbrief 27 und 28, Dr. Roland GmbH, 2. Auflage, Wien
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ACafe-Griensteidl-1896.jpg (2.6.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AHermann_Bahr_1891.jpg (2.6.2016)