Theorie:

Die "Vollender" - Deutscher Naturalismus
Der deutsche Naturalismus entwickelte sich nicht direkt aus dem Spätrealismus, er ist ebenso an ausländischen Vorbildern (siehe Theoriekapitel 6 - 10) orientiert.
 
Gerhart Hauptann als größter Dichter des Naturalismus - und darüber hinaus eine der wichtigsten Dichterpersönlichkeiten Deutschlands überhaupt - wird im eigenen Theoriekapitel 13 behandelt.
Hermann Sudermann (1857 - 1928)
 
Er war ein ausgesprochener Modedichter, ein Kenner der Probleme seiner Zeit, die er mit genauer Kenntnis der Erfordernisse des Theaters zu wirksamen Dramen zu gestalten wusste. Seine Stücke enthalten dankbare Aufgaben für die Schauspieler, und nicht zuletzt ist es diesen zuzuschreiben, dass Sudermann zu den erfolgreichsten Autoren seiner Zeit zählt.
 
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Dramen
 
 
  • "Die Ehre": war Sudermanns erstes Drama, das den jungen Dichter mit einem Schlage berühmt machte. Dieses Werk steht dem Naturalismus nahe und stellt in treffender Milieuschilderung die Vorderhaus-Hinterhaus-Problematik in den Mittelpunkt.
  • "Heimat": Eine weltberühmte Sängerin wurde einst von ihrer Familie verstoßen, weil sie sich einem aufgezwungenen Ehebund widersetzt hatte.
  • "Johannisfeuer", in dem Sudermann ein sonnendurchglühtes Bild seiner ostpreußischen Heimat entwarf, die Menschen mit all ihren Fehlern und Schwächen als Kinder der Landschaft prägte.
  
Nach "Die Ehre" und "Heimat" verfiel Sudermann immer mehr der Theaterkolportage, dem Effekt- und Virtuosenstück, dessen Konflikte billig und banal sind und die nur "Bombenrollen" für die Schauspieler enthielten. Nur das letztgenannte Werk ragt aus dieser Mittelmäßigkeit heraus.
 
Romane
  
Ebenso wie als Dramatiker vereinigte Sudermann auch als Erzähler alte und neue Technik: er erfüllte alte Formen mit naturalistischem Inhalt, baute die Handlung dramatisch auf, zeichnete aber mit naturalistischer Schärfe Umwelt und Landschaft. Damit wurde er richtungsweisend für den modernen deutschen Roman.
 
  • "Frau Sorge": Ein Bauernsohn bringt durch zähe Kraft das verwahrloste Gut seines Vaters wieder in die Höhe. Über seinen Sorgen vergisst er das Leben und die Liebe. Am Ende aber erlebt er aber noch spätes Glück, dann endlich weicht "Frau Sorge" von ihm.
  • "Der Katzensteg" schildert das Schicksal von verfemten Verrätern, einem Grafen und seiner Magd, die die eigenen Landsleute an die Franzosen verraten haben.
 
 
Bedeutung
 
Nach langer Zeit war mit Sudermann wieder ein deutscher Dramatiker aufgetreten, der mit den Ausländern in erfolgreichen Wettbewerb treten konnte und besonders die französischen Gesellschafts- und Sittenstücke von der deutschen Bühne verdrängte.
 
Der Film hat wiederholt nach Sudermanns Werken gegriffen und ungemein wirksame Verfilmungen geschaffen. So ist dieser zu seiner Zeit ungemein gefeierte Dramatiker, dessen Theaterstücke heute nicht mehr aufgeführt werden, doch nicht ganz vergessen und seine scharf charakterisierten Hauptgestalten erstanden auf der Leinwand zu neuem Leben.
 
Max Halbe (1865 - 1944)
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stammte aus Danzig und war ebenso wie der Memelländer Sudermann eng mit der Heimat verbunden. Ursprünglich steht er noch im Banne der Naturalisten Ibsen und Hauptmann, später aber mischen sich romantische und symbolische Züge in seine Werke.
 
Zwei seiner Dramen überdauerten die Werke des Naturalismus, und fast schien es, als sollte dem Dramatiker Gerhart Hauptmann ein ebenbürtiger Rivale zu Seite treten, aber Halbe war eigentlich Lyriker und Epiker und bediente sich nur der wirkungsvolleren dramatischen Form.
 
"Jugend"
Liebesdrama in 3 Akten
 
Der christlich denkende und menschenfreundliche Pfarrer Hoppe hat die Kinder seiner verstorbenen Schwester, Annchen und deren blöden Stiefbruder Amandus, zu sich ins Haus genommen. Ohne sein Wissen hat sich Annchen auf Drängen des Kaplans Schigorski, eines fanatischen Eiferers, bereit erklärt, ins Kloster zu gehen, um die Sünde ihrer Mutter - Annchen war unehelich geboren - zu büßen.
 
Ihre Bereitwilligkeit wird jedoch durch die Ankunft des jungen Studenten Hans Hartwig schwer erschüttert, denn zwischen den beiden jungen Menschen keimt vom ersten Augenblick an eine wahre und innige Liebe auf.
 
Der Kaplan und Amandus sind Hans feindlich gesinnt, aber Annchen ist bereit, bedingungslos ihrer Liebe zu folgen. Der alte Pfarrer erkennt die wahre Liebe zwischen den beiden jungen Leuten und schickt er Hans weg, er soll nach gewissenhafter Selbstprüfung nach ein paar Studiensemestern wiederkehren.
 
Als Hans von dem geliebten Annchen Abschied nimmt, schleicht der Idiot Amandus herbei und erschießt an Stelle von Hans das sich dazwischenwerfende Annchen.
Die Konflikte in diesem Drama sind meisterhaft gegeneinander gestellt: das duldsame, edle Christentum Pfarrer Hoppes und der fanatischen Glaubenseifer des polnischen Kaplans; die reine Liebe im Herzen des Mädchens und ihr gegebenes Versprechen, ins Kloster zu gehen; der junge Student, der zwischen sinnlicher Gebundenheit und geistigem Freiheitsdrang keinen Weg findet und gerne dem Rat des alten erfahrenen Mannes folgt. Dazu tritt noch die tierisch-dumpfe Eifersucht des Kretins, die schließlich zu Verhängnis führt.
 
Neben dem weiteren Drama "Der Strom" verfasste Halbe auch die treffliche Dorfgeschichte "Frau Meseck", ein Novellenbuch "Die Ringe des Lebens" und den Roman "Die Tat des Dietrich Stobäus", die alle in dem Boden seiner westpreußischen Heimat wurzeln.
 
Mit keinem seiner übrigen Werke aber konnte er den Ruhm erreichen, der ihm als Dichter des Dramas "Jugend" zuteil geworden war.
 
Ludwig Thoma (1867 - 1921)
 
aus Oberammergau ist einer der bedeutendsten Satiriker der deutschen Dichtung. Die Schärfe seiner Charakterzeichnung, die Genauigkeit der Milieudarstellung entstammen dem Naturalismus; mit beißender Ironie und Schärfe geißelt er die Gesellschaft seiner Zeit.
 
Im "Simplizissimus" erschienen seine fingierten Briefe eines bayerischen Landtagsabgeordneten - sie stellen ein Meisterwerk satirisch-humoristischen Schrifttums dar.
 
Dorfbewohner und Kleinstädter mit all ihren Schwächen nimmt er in seinen Bühnenstücken aufs Korn: "Moral", "Die Lokalbahn", "Die kleinen Verwandten".
 
Aber noch besser gelangen ihm seine humoristischen Geschichten und Satiren: "Lausbuben- geschichten" und die Bauernromane "Andreas Vöst", "Der Wittiber".
 
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Skulptur von Ludwig Thoma im Kurpark Rottach-Egern
  
Quellen:
Schenk, I. (2015): DEUTSCH. Lehrbrief 27, Dr. Roland GmbH, 2. Auflage, Wien
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3APortrait_of_Hermann_Sudermann.jpg (9.5.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ALovis_Corinth_Portr%C3%A4t_Max_Halbe_1917.jpg (9.5.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ASkulptur_von_Ludwig_Thoma_in_Rottach-Egern.jpg (9.5.2016)