Theorie:

Staatliche Bevölkerungspolitik
Jeder Staat - und auch die Europäische Union als Gemeinschaft - hat ein großes Interesse an einer nachhaltigen (also auch die Zukunft absichernden) Entwicklung der Bevölkerung. Die folgende Tabelle zeigt einige wesentliche Ziele und die zum Erreichen dieser Ziele erforderlichen Maßnahmen:
  
  
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Abb. 1: Handlungszusammenhang zwischen Bevölkerungs- und Infrastrukturpolitik
  
 
Zum Grundsatz der Steigerung der natürlichen Bevölkerungsentwicklung gehören also folgende Ziele und Maßnahmen:
  • Erhöhen der Geburtenrate: Familienpolitik sowie Kinder- und Jugendpolitik
  • Verringerung der Sterberate: Gesundheitspolitik und Sozialpolitik
 
Zum Grundsatz eines positiven Migrationssaldos (Steigern von Zuwanderung, Verhindern von Abwanderung) gehören folgende Ziele und Maßnahmen:
  • Bildung und Erwerb: Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik
  • Altenzuwanderung: Wohnungspolitik sowie Seniorinnen- und Seniorenpolitik
 
Altersstruktur und ihre Folgen
Seit der ersten Hälfte des \(19\). Jahrhunderts ist die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit um 2,5 Jahre pro Jahrzehnt gestiegen - anders gesagt: pro Lebensjahr bekommt man drei Monate gleichsam als "Bonus" hinzu. Die momentanen Rekorde halten die japanischen Frauen mit einer Lebenserwartung von 86 Jahren; europäische Frauen können eine durchschnittliche Lebensspanne von 82 Jahren erwarten.
  
Diese Entwicklung liegt vor allem
  • am medizinischen Fortschritt,
  • an Verbesserungen der hygienischen Verhältnisse sowie
  • an gesünderer Ernährung.

Die erste Folge war eine Absenkung der früher so hohen Säuglingssterblichkeit. Der nun erkennbare weitere Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung ist auf eine Reduzierung der Sterblichkeit höherer Altersgruppen zurückzuführen.
  
Dieser Trend wird sich im 21. Jahrhundert vermutlich fortsetzen, sodass sich bis zum Jahr 2050 eine Lebenserwartung von mehr als 92 Jahren abzeichnet. Ein heute geborenes Mädchen hat damit gute Chancen, das einst für die Mehrheit der Bevölkerung als unerreichbar geltende Lebensalter von 100 Jahren zu erreichen.
  
Vom demographischen Wandel sind praktisch alle Politikfelder betroffen: Bildung, Arbeit, Gesundheit, Familie, Wohnungsbau. Es ergeben sich zum Beispiel folgende Herausforderungen:

Wenn aber das derzeitige Pensionsalter nicht deutlich hinaufgesetzt wird, ergibt sich das Problem, dass die staatlichen Pensionen nicht mehr finanzierbar sein werden, zumal ja - auf der anderen Seite - die Kinderlosigkeit zunimmt. Wird also bald jede berufstätige Person eine Pensionistin bzw. einen Pensionisten erhalten müssen?
  
Bereits heute herrscht in einigen Bereichen Fachkräftemangel: Arbeitgebende finden nicht genügend geeignete Bewerbende, um offene Stellen zu besetzen. Das Schrumpfen in den für den Arbeitsmarkt relevanten Altersgruppen könnte dieses Problem noch verschärfen.
  
Auch wird, selbst unter der optimistischen Annahme, dass alle hinzugewonnenen Lebensjahre gesunde Lebensjahre sind, der Pflegebedarf - und die damit verbundenen Kosten - weiterhin deutlich steigen.
  
Die folgenden Grafiken zeigen unter anderem, wie stark die von der jungen Generation zu erhaltende ältere Generation im Zunehmen begriffen ist - und welche Belastungen in diesem Zusammenhang auf die junge Generation zukommen.
  
 
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Abb. 2: Alterspyramide der EU-28 für das Jahr 1994 (umrahmte Linien) und 2014 (farbig gefüllte Linien)
 
 
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Abb. 3: Alterspyramide der EU-28 für das Jahr 2014 (umrahmte Linien) und geschätzt für 2080 (farbig gefüllte Linien)
  
  
Was die altersmäßige Struktur der Bevölkerung, ihren Bildungsstand und die Beschäftigungsquoten betrifft, schneiden besonders folgende Gebiete gut ab:
  • Skandinavien
  • Großbritannien
  • die Benelux-Staaten
  • Frankreich
  • der Süden Deutschlands
  • Österreich und
  • einige Gebiete im nördlichen Italien sowie
  • im Nordosten Spaniens.
  
Am unteren Ende dieser Wertung hingegen befinden sich, besonders in ihren entlegenen ländlichen Regionen:
  • Süditalien
  • Griechenland
  • Bulgarien
  • Rumänien
  • Polen
  
Weitere regionale Unterschiede werden in Kapitel 11 (Regionale Disparitäten und Strukturwandel) erläutert.
  
Regionale Konflikte - ethnische Minderheiten
Obwohl sich die Europäische Union als größten Friedensraum der Welt bezeichnen darf, gibt es auch auf ihrem Gebiet manche sozialen, politischen und religiösen Konflikte, die im schlimmsten Fall sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt haben.
  
Nordirland (Jahrzehntelanger Bürgerkrieg zwischen katholischer und protestantischer Bevölkerung)
Die (katholische) IRA gab \(2001\) bekannt, dass sie den Prozess ihrer eigenen Entwaffnung eingeleitet habe. Damit bewahrte sie den Friedensprozess vor dem endgültigen Scheitern. Unmittelbar nach Bekanntgabe der IRA-Entwaffnung begann die britische Regierung mit der Reduzierung ihrer Militärpräsenz in Nordirland.
 
Belgien (Konflikte zwischen flamischer (\(57\) % der Bevölkerung) und Wallonischer (\(32\)% französischsprechend) Bevölkerung)
\(1962\) sah sich Belgien zur Einrichtung einer festen Sprachgrenze und \(1970\) sogar zur Aufteilung in die drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel gezwungen. Diese Regionen sind heute relativ autonome Bundesstaaten. Der flämisch-wallonische Konflikt konnte damit jedoch nicht gänzlich gelöst werden.
  
Frankreich
Auf Korsika versucht die radikale korsische Befreiungsfront eine Loslösung von Frankreich zu erreichen. Im Elsass fordert die alemannische Sprachengruppe mehr Rechte. Die Bretonische Bevölkerung hingegen wollen einen eigenen Staat durchsetzen.
  
Spanien
  
Baskenland
Die baskischen Menschen um Bilbao versuchten, die Autonomie ihres Gebietes durchzusetzen. Die ETA (Euskadi Ta Askatasuna, baskisches Wort für "Baskenland und Freiheit") führte lange Zeit einen blutigen Kampf um die vollständige Autonomie. Seit den 1960er Jahren sind bei Terroranschlägen der ETA etwa 800 Menschen ums Leben gekommen. Aber angesichts der bereits erreichten Autonomie stieß die ETA auch in der baskischen Bevölkerung auf wachsende Ablehnung. Im Jahr 2011 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, die Entwaffnung der ETA begann im Jahr 2014.  
  
Katalonien
Die katalanische Bevölkerung mit ihrem Zentrum Barcelona wollen einen ausgeweiteten Autonomiestatus bzw. sogar eine Unabhängigkeit von Spanien erreichen. Nach Francos Tod ließ die spanische Regierung Katalanisch als Unterrichtssprache zu, räumte 1977 den katalanischen Provinzen eine begrenzte Autonomie ein und erlaubte im Zuge der Demokratisierung des Landes die Wiedererrichtung einer katalanischen Versammlung mit gesetzgebender und exekutiver Funktion. Der Konflikt um die Unabhängigkeit dauert dennoch an - Ende 2015 hat sich das Parlament Kataloniens für eine Abspaltung ausgesprochen.
  
 
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Abb. 4: Die Katalanen mit ihrer Haupstadt Barcelona möchten sich von Spanien abspalten
 
 
Quellen:
  
Roland, M. (Hrsg.): GEOGRAPHIE. Lehrbrief 5, Dr. Roland GmbH, Auflage 12/2015, Wien
Population pyramids, EU-28, 1994 and 2014, online unter: http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Population_pyramids,_EU-28,_1994_and_2014_(¹)_(%25_of_the_total_population)_YB15-de.png (2.8.2016)
Population pyramids, EU-28, 2014 and 2080, online unter: http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Population_pyramids,_EU-28,_2014_and_2080_(¹)_(%25_of_the_total_population)_YB15-de.png (2.8.2016)
https://pixabay.com/de/panorama-die-kathedrale-427997/ (2.8.2016)