Theorie:

Dieses Kapitel bietet einen Überblick, wie sich die literarischen Gattungen im Expressionismus zeigten und wer die wichtigsten Vertreterinnen und Vertreter waren - diese werden in den folgenden Kapiteln näher behandelt.
Form
Die Mehrzahl der expressionistischen Dichtungen hat eine lockere Form. Die Dichterinnen und Dichter lassen sich weder durch Zeit und Raum noch durch dichterische Kompositionsgesetze beengen. Großlinige Führung in der Gestaltung wird zum Grundsatz. Der große Gehalt des expressionistischen Reformwillens verlangt eine große Form, eine frische Darstellung, Weite und Freiheit.

Der subjektiven Grundlage der Ausdruckskunst entsprach die lyrische Dichtungsform am meisten, am wenigsten die Epik, die doch die objektivste und sachlichste Dichtungsgattung ist. Das Drama steht in der Mitte, erfährt allerdings eine kennzeichnende Lyrisierung. Trotzdem gehen vom expressionistischen Theater bedeutende Impulse aus.
Lyrik
Sie zeichnet sich durch die Verwendung sprachlicher Bilder (Symbole, Chiffren, Allegorien usw.) aus.

Die dahinterliegende Philosophie war gekennzeichnet durch den Versuch, den Einfluss des naturwissenschaftlichen Denkens auf die Geisteswissenschaften zu überwinden:
  • Henri Bergson (nicht Verstand, sondern Intuition erfasse das Wesentliche)
  • Oswald Spengler ("Der Untergang des Abendlandes" prophezeit Untergang der abendländische Kultur)
 
Die expressionistische Lyrik in Deutschland war geprägt von Visionen des Grauens des Krieges, eines aufziehenden Chaos und einer leidenschaftlichen Aufforderung zur Erneuerung des Menschen. Wichtige Vertreterinnen und Vertreter waren:
  • Georg Heym
  • Gottfried Benn
  • Else Lasker-Schüler
 
Expressionistische Lyrik in Österreich:
  • Georg Trakl
  • Franz Werfel
Drama
Das expressionistsche Drama ist ein symbolhaftes, ausdrucksstarkes Ideendrama, das heißt, es will eine möglichst allgemeingültige Idee als Weltanschauung vermitteln. Im naturalistischen Drama stand der passive Mensch als ein Produkt von Vererbung und Umwelt im Mittelpunkt, völlig undramatische Heldinnen und Helden also, Getriebene, nicht Handelnde.

Der Expressionismus aber ist sowohl in ethischer wie auch in formaler Beziehungaktiv. Nicht die Außenwelt, sondern der menschliche Geist ist bestimmend. Der Mensch trägt das Wesentliche und Entscheidende in sich und wird daher zur aktiven dramatischen Hauptfigur.

So tritt neben die meist reflexive Lyrik ein recht bedeutendes expressionistisches Drama, das den Theaterstil seiner Zeit weitgehend und in entscheidendem Maße beeinflusst.


Merkmale sind:
 
  • Verzicht auf realistische Wirklichkeitsabbildung
  • Offene Form des Dramas: Auflösung der geschlossenen Handlungsführung zum Stationendrama und zu Szenenfetzen. Oft auch lockere Folge von Einzelbildern
  • Betonung der Allgemeingültigkeit: häufig Modellfiguren (teilweise mit Masken) anstatt psychologisch gestalteter Figuren
  • Abstrakte, formelhafte Sprache
 
Vertreter (u.a.):
  • Frank Wedekind (siehe Kapitel 5)
  • Reinhard Sorge
  • Carl Sternheim
  • Georg Kaiser
  • Anton Wildgans (Österreich)
Epik
Mit dem Expressionismus kommen neue Romantechniken auf. Merkmale sind:
 
  • Ein expressionistischer, radikaler Stil
  • Viele Übergangswerke, oft nur kurzfristige Publikumserfolge
  • Formprinzipien: Sprachverknappung, Montagetechniken
  • Forderung nach dem "wahren Menschen", Glaube an die gefühlsbestimmten, intuitiven Möglichkeiten des Menschen; keine Psychologisierung
  • Protest gegen Individualitätsverlust, Kulturverfall, Materialismus, technischen Fortschritt und soziales Elend
  • Themen: Auflösung des Ich, Krieg und Großstadt
  • Phantasie, Visionen, Traumhaftes
  
Vertreter (u.a.):
  • Alfred Döblin (Deutschland)
  • Heinrich Mann (Deutschland)
  • Franz Kafka
  • Max Brod
 
Quellen:
Mayer, Stephanie (2015): DEUTSCH. Literaturgeschichte 2, Dr. Roland GmbH, 8. Auflage, Wien
Schenk, I. (2015): DEUTSCH. Lehrbrief 30, Dr. Roland GmbH, 2. Auflage, Wien