Theorie:

Träger der österreichischen Wirtschaftspolitik
Arbeitgebende und Arbeitnehmende sind in Österreich in Interessenvertretungen organisiert. Dabei unterscheidet man gesetzlich vorgeschriebene und freiwillige Verbände. Die gesetzlich vorgeschriebenen Verbände werden Kammern genannt; in diesen besteht Pflichtmitgliedschaft.
 
Arbeitnehmervertretungen
  • Gesetzliche Arbeitnehmendenvertretung (Pflichtmitgliedschaft für alle unselbständigen Angestellten und Arbeitenden): Die Kammer für Arbeiter und Angestellte (kurz: Arbeiterkammer oder AK) vertritt und fördert die sozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmenden. Kammerzugehörig sind grundsätzlich alle Arbeiter und Arbeiterinnen sowie Angestellte.
  • Freiwillige Arbeitnehmendenvertretung: Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) vertritt rund 1,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dabei nimmt der ÖGB unter den Verbänden eine Sonderstellung ein. Zur Durchsetzung der arbeitsrechtlichen Forderungen ist er nämlich berechtigt, Kampfmaßnahmen wie die Arbeitsniederlegung (Streik) anzuwenden. Im ÖGB sind 14 unabhängige Einzelgewerkschaften zusammengeschlossen.
 
Wichtigste Aufgabe des ÖGB ist die Interessenvertretung der Arbeitnehmendenschaft beim Abschluss von Kollektivverträgen, bei der Durchsetzung sozialer Forderungen, der Sicherung von Arbeitsplätzen und Reallöhnen, bei der Humanisierung der Arbeitswelt und durch Initiativen für rechtliche Regelungen.
 

Arbeitgebendenvertretungen
  • Gesetzliche Arbeitgebendenvertretungen (Pflichtmitgliedschaft für alle Unternehmen und Gewerbetreibenden): Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammer) vertritt die Interessen der gewerblichen Wirtschaft. Präsident ist Christoph Leitl. Die Kammer für Land- und Forstwirtschaft ist die Interessensvertretung der Land- und Forstwirte und -wirtinnen.
  • Freiwillige Arbeitgebendenvertretung: Die Vereinigung österreichischer Industrieller (IV = Industriellenvereinigung) ist eine freiwillige Interessenvertretung der Produktionswirtschaft.
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Abb. 1: Christoph Leitl ist der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich
 
Auch wenn die Interessenvertretungen formal überparteilich sind, so werden sie doch in der Praxis von den politischen Parteien dominiert: Während die ÖVP durch ÖVP-Wirtschaftsbund und ÖVP-Bauernbund in den Arbeitgebendenverbänden tonangebend ist, so spielt die SPÖ in den Arbeitnehmendenorganisationen die Hauptrolle.
                
Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft
Die Sozialpartnerschaft geht gerade in Österreich auf eine lange Tradition zurück: in ihr wollen sich die Arbeitgebenden- und Arbeitnehmendenverbände am Gesamtinteresse der Volkswirtschaft orientieren. Sie versucht Stabilität in Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen und ist zumeist getragen von gegenseitiger Achtung, Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit. Ihre Beschlüsse erfolgen einstimmig. Infolge ihres großen Einflusses wird sie oft als "Schattenregierung" bezeichnet.

Umsetzung und Durchführung der Sozialpartnerschaft
Die schwierigen wirtschaftlichen und politischen Umstände nach dem zweiten Weltkrieg führten seit 1947 zur Zusammenarbeit der großen Arbeitgebenden- und Arbeitnehmendenverbände. Durch diese Zusammenarbeit sollte vor allem die Inflation eingedämmt und somit eine gewisse wirtschaftliche Stabilität erreicht werden.
Im Jahr 1957 entwickelte sich aus dieser bis dahin fallweisen Zusammenarbeit der Interessenvertretungen (ÖGB, Arbeiterkammer, Bundeswirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer) eine bis heute bestehende und weltweit einzigartige Einrichtung, die Paritätische Kommission, die mit Vertretenden der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden besetzt ist. Sie wirkt als wirtschaftliches und sozialpolitisches Steuerungsorgan, ohne aber eine Verankerung in der österreichischen Verfassung zu haben. Die Paritätische Kommission dient als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle für Löhne und Preise und gibt der Regierung Empfehlungen.
 
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Abb. 2: Sitzung der Sozialpartnervertreter in den 1970er Jahren
Die Paritätische Kommission
Die Paritätische Kommission erwies sich als überaus erfolgreich. Seit ihrer Errichtung tragen nämlich Arbeitgebende und Arbeitnehmende ihre Interessenskonflikte (hauptsächlich bezüglich der Höhe der Löhne und der Preise) fast ausnahmslos am "grünen Tisch" aus. Nicht zuletzt deshalb liegt Österreich seit Jahrzehnten im europäischen Spitzenfeld, was die geringe Zahl von Streiks, die geringe Inflation und Arbeitslosigkeit sowie das hohe Wirtschaftswachstum betrifft.
Die Paritätische Kommission besteht aus 3 Unterkommissionen: dem Preisunterausschuss, dem Lohnunterausschuss und dem Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen.
 
Unterausschuss für Preisfragen (Wettbewerbs- und Preisunterausschuss)
Da die internationale Wirtschaftsverflechtung die freiwillige Preiskontrolle in Österreich in der alten Form ausgehebelt hatte, wurde der bisherige "Preisunterausschuss" 1992 zum "Wettbewebs- und Preisunterausschuss" umgestaltet. Er ist zuständig für die in Österreich angebotenen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Importwaren.
 
Der Lohnunterausschuss
Im Lohnunterausschuss werden die Kollektivlöhne und die jährlichen Lohnerhöhungen (Lohnrunden) verhandelt.
 
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Abb. 3: Die Lohnverhandlungen werden in Österreich jedes Jahr mit großem Interesse verfolgt.
Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen
Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ist ein Expertengremium. Er tagt nur auf Antrag und dient der Beratung der Sozialpartner in wirtschaftlichen Belangen (z. B. Wohnbauförderung, Steueränderung etc.).
 
Quellen:
Abb. 1: https://www.wko.at/Content.Node/iv/presse/wkoe_presse/pressefotos/personen/Pressefotos_Personen_Leitung.html (29.08.2016)
Abb. 2: http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissensstationen/am-runden-tisch.html (29.08.2016)
Abb. 3: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/776673_Die-Lohnverhandlung-ein-Drama.html (29.08.2016)