Theorie:

Wir kennen schon lineare Gleichungen mit einer Unbekannten (oft \(x\) genannt). Manchmal möchte man jedoch mehr als eine Unbekannte herausfinden. In diesem Fall ist eine Gleichung zu wenig, um die Unbekannten zu bestimmen. Um zu sehen, wie ein Problem zu zwei Unbekannten führen kann, betrachten wir das folgende einfache Beispiel:
 
Thomas geht mit seiner Arbeitskollegin Petra in eine Mittagskantine in der Nähe ihres Betriebs. Dort ist ein Spezial-Burger im Angebot. Thomas hat sehr großen Hunger und bestellt zwei Spezial-Burger und ein Mineralwasser. Petra hingegen hat vor allem Durst und nimmt nur einen Burger, trinkt aber im Laufe der Mittagspause zwei Mineralwasser. Als sie bezahlen, lautet die Rechnung von Thomas auf 10 Euro; Petra hingegen bezahlt nur 8 Euro. Weil sie die Preise nicht in der Karte nachgesehen haben, fragen sich die beiden später, was ein Burger und ein Mineralwasser eigentlich einzeln gekostet haben.
 
In diesem Problem haben wir zwei Unbekannte, die wir \(x\) und \(y\) nennen:
Wir möchten den Preis eines Burgers wissen; diesen nennen wir \(x\).
Den uns ebenfalls noch unbekannten Preis eines Mineralwassers nennen wir \(y\).
 
Dann haben wir folgende beiden Informationen aus dem Problem:
  • Der Preis für zwei Burger plus ein Mineralwasser ist 10 Euro, also
    \(2x + y = 10\,\).
  • Der Preis für einen Burger plus zwei Mineralwasser ist 8 Euro, also
    \(x + 2y = 8\,\).
Wir haben also zwar zwei Unbekannte; dafür sind uns auch zwei lineare Gleichungen gegeben. Das ist eine allgemeine Regel bei linearen Gleichungen: Wir brauchen ebensoviele Gleichungen wie Unbekannte, um die Lösung für alle Unbekannten eindeutig zu bestimmen. Es gibt zwar Probleme, in denen wir dann trotzdem keine eindeutige Lösung finden können (dazu in einer anderen Theorie-Einheit mehr), aber in den meisten Fällen reichen genauso viele Gleichungen wie Unbekannte aus.
 
Wie erwähnt, sind die beiden Gleichungen oben linear in \(x\) und \(y\); das heißt es kommen nur Vielfache von \(x\) und \(y\) vor (und nicht etwa \(x^2\), \(y^3\) oder andere kompliziertere Ausdrücke). Ansonsten sind noch Additionen oder Subtraktionen von bekannten Zahlen erlaubt. Diese bringen wir aber alle auf die rechte Seite, so dass auf der linken Seite nur die Vielfachen von \(x\) und \(y\) vorkommen (das ist bei den beiden Gleichungen unseres Problems ohnehin schon der Fall).
 
Wenn wir so eine Situation haben, sprechen wir von einem linearen Gleichungssystem (LGS) mit zwei Unbekannten (Der Ausdruck lineares Gleichungssystem wird oft mit LGS abgekürzt). Die beiden Gleichungen werden so dann übereinander geschrieben, dass die \(x\)-, die \(y\)-Terme und die Zahlen übereinander stehen. Oft werden sie dann (I) und (II) genannt:
 
\( 2x + \;\;y = 10\)  (I)
\( \;\;x + 2y = \;\;8\)  (II)
 
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, dieses lineare Gleichungssystem zu lösen. Die einfachste ist das Auflösen nach einer Variablen und anschließende Einsetzen: Wenn wir versuchen, mit unseren bisherigen Mitteln die erste Gleichung (I) nach einer Unbekannten aufzulösen, z.B. nach \(y\), erhalten wir
 
\( 2x + \;\;y = 10\quad | \; -2x \)
\( y = 10-2x\)   (*)
 
Wir haben also einen Ausdruck für \(y\), aber das ist noch nicht die Lösung, weil wir ja \(x\) auch nicht kennen. Wir können aber unseren gefundenen Ausdruck (*) in die zweite Gleichung (II) einsetzen:
 
\( x + 2y = 8\)  (II), hier setzen wir den Ausdruck (*) ein:
\( x + 2(10-2x) = 8 \)
\( x + 20 - 4x = 8\)
\( 20 - 3x = 8 \quad | \; -20 \)
\(-3x = -12 \quad | \; : (-3) \)
\( x = \frac{-12}{-3} = 4 \)
 
Die erste Unbekannte haben wir damit als \(x=4\) bestimmt, also kostet ein Spezial-Burger 4 Euro. Um auch \(y\) zu ermitteln, setzen wir diesen Wert für \(x\) in den Ausdruck (*) ein:
 
\( y = 10-2x = 10-2\cdot 4 = 2\,\). Ein Mineralwasser kostet also 2 Euro.
 
Natürlich war das ein einfaches Beispiel, bei dem man die Lösung vielleicht auch im Kopf hätte bestimmen können. Hätten wir aber andere Zahlen gehabt, wäre das nicht mehr so einfach gewesen. Auch ist unser direktes Verfahren (in dem wir zuerst nach einer Variablen auflösen und dann in die zweite Gleichung einsetzen) im allgemeinen Fall nicht die eleganteste Methode zur Lösung eines LGS. Dazu gibt es den nächsten Lektionen mehr.