Theorie:

Nehmen wir an, wir haben eine quadratische Gleichung in die Standardform für die kleine Lösungsformel gebracht, also in die Form
\[ x^2+px+q = 0 \,.\]
Wenn diese Gleichung zwei Lösungen \(x_1\) und \(x_2\) hat, dann kann man die linke Seite auch so umschreiben:
\[ (x-x_1) (x-x_2) = 0 \,. \]
Das folgt aus einem grundlegenden Lehrsatz der Algebra.
 
Wir können diesen Satz mit unserem derzeitigen Wissen zwar nicht beweisen, aber wir können uns Folgendes überlegen: Die umgeschriebene linke Seite \((x-x_1) (x-x_2)\) ist das Produkt zweier in Klammern stehender Ausdrücke, also zweier Zahlen. Ein Produkt zweier Zahlen kann aber nur dann null ergeben, wenn entweder die eine oder die andere Zahl (oder beide) gleich null ist. Falls beide Zahlen von null verschieden sind, kann niemals null als Produkt herauskommen.
 
Die zweite der Gleichungen oben kann also nur dann wahr sein, wenn einer der Ausdrücke in Klammern null ergibt. Das heißt, wir haben entweder
\[x-x_1 = 0 \quad\] oder \[\quad x-x_2 =0 \,.\]
Wenn wir diese beiden Gleichungen nach \(x\) auflösen, erhalten wir
Entweder \[\quad x=x_1 \quad\] oder \[\quad x=x_2 \,.\]
Die beiden Lösungen unserer quadratischen Gleichung kommen also richtig heraus, d.h. auch mit der umgeschriebenen linken Seite unserer ursprünglichen quadratischen Gleichung erhalten wir die gleichen Lösungen \(x_1\) und \(x_2\).
 
Wenn wir das Produkt \((x-x_1) (x-x_2)\) wieder ausmultiplizieren, kommen wir auf
\[ (x-x_1) (x-x_2) = x^2 -x_1 x - x_2 x + x_1 x_2 \,.\]
Andererseits haben wir gesagt, dass dieses Produkt gleich der linken Seite unserer ursprünglichen quadratischen Seite sein soll, also gleich \(x^2+px+q\):
\[  x^2 -x_1 x - x_2 x + x_1 x_2 = x^2+px+q \,.\]
Dabei sind \(x_1, x_2, p\) und \(q\) einfache Zahlen, also keine Ausdrücke mit \(x\). Es muss also \(-x_1x-x_2x = px\) und \(x_1 x_2 = q\) sein, sonst stimmen die linke und die rechte Seite nicht überein. Wir haben also herausgefunden, dass gelten muss:
 
\[ -(x_1+x_2) = p \quad \text{und} \quad x_1 x_2 = q \]
 
Das ist der Satz von Vieta. In Worten sagt er aus, dass bei einer quadratischen Gleichung in der Form \(x^2+px+q=0\) die Summe der beiden Lösungen gleich \(-p\) und ihr Produkt gleich \(q\) ergeben muss.
 
Das kann man ausnutzen, um die Lösungen zu erraten, falls diese ganze Zahlen sind. Dabei beginnt man am besten beim Produkt \( x_1 x_2 = q\) und sucht z.B. im kleinen Einmaleins nach möglichen Faktoren \(x_1\) und \(x_2\), die \(q\) ergeben. Falls eine der möglichen Kombinationen in Summe gleich \(-p\) ergibt, haben wir die beiden Lösungen gefunden. Beachte dabei aber immer das Minuszeichen vor \(p\)!
 
Wenn der Satz von Vieta nicht zum Erfolg führt, kann man natürlich immer noch die kleine oder große Lösungsformel verwenden.
 
Beispiel:
Nehmen wir z.B. die quadratische Gleichung \(x^2 -4x +3 =0\). Wir haben \(p=-4\) und \(q=3\).
 
Wenn wir den Satz von Vieta zur Lösung ausprobieren wollen, suchen wir zuerst nach Zahlen, deren Produkt gleich \(q\), also in diesem Fall gleich \(3\) ist. Zwei ganze Zahlen, deren Produkt gleich \(3\) ist, sind entweder \(1\) und \(3\) oder \(-1\) und \(-3\).
 
Nur \(x_1=1\) und \(x_2=3\) ergeben in Summe aber \(-p = +4\); also sind das unsere beiden Lösungen.
Mit der kleinen Formel hätten wir natürlich das gleiche Ergebnis erhalten, aber so geht es schneller.