Theorie:

In vielen Anwendungen stellt sich die Frage, mit welcher Genauigkeit man etwas ausrechnen kann oder soll. Zum Beispiel:
 
Max will auf seiner rechteckigen Terasse Fliesen verlegen. Um zu bestimmen, wie viele Fliesen er dazu braucht, will er die Fläche der Terasse ermitteln. Diese, geteilt durch die Fläche einer Fliese ergibt die Anzahl der Fliesen, die er besorgen muss.
Er misst, dass die Terasse \(253 \times 509\,\text{cm}\) groß ist, also eine Fläche von \(128\,777\,\text{cm}^2\) hat. Eine Fliese hat laut Katalog \(100\,\text{cm}^2\). Wenn man möglichen Verschleiß vernachlässigt, wird Max ungefähr \(1288\) Fliesen brauchen (wahrscheinlich wird er zur Sicherheit \(1300\) Fliesen besorgen, weil er mit Ungenauigkeiten rechnen muss).
 
shutterstock_1329188222.jpg
 
Hätte es Sinn gemacht, die Terasse sogar auf Millimeter genau auszumessen? Max' Sohn, Anton, möchte das herausfinden, und misst die Terasse noch genauer: \(2528 \times 5094\,\text{mm}\). Damit berechnet sich die Fläche mit \(128\,776,\!32\,\text{cm}^2\). Der Informationsgewinn ist bescheiden: Max braucht nach wie vor \(1288\) Fliesen.
 
Warum bringt die Extra-Mühe, die Anton sich gemacht hat, die Fläche genauer zu bestimmen, nichts?
  • Die Messgenauigkeit in Millimeter ist höher, als sie zur Lösung des Problems (Wieviele Fliesen brauche ich?) benötigt wird. Die Größe der Fliesen setzt der Genauigkeit Grenzen.
  • Die Terasse wird im Allgemeinen kein perfektes Rechteck sein. Vielleicht ist die eine Kante \(2529\,\text{mm}\) lang, aber die andere \(2532\,\text{mm}\).
  • Max wird die Fliesen wohl nicht absolut perfekt verlegen, auf die Länge von über \(5\,\text{m}\) werden sich ein paar Millimeter an Ungenauigkeit eingeschlichen haben.
 
Noch ein anderes Beispiel:
 
shutterstock_557238820.jpg
 
Fritz möchte den Umfang eines zylindrischen Bechers messen. Dazu misst er der Durchmesser mit einem Lineal ab, er bestimmt ihn mit \(107\,\text{mm}\). Mit dem Taschenrechner berechnet er (sein Taschenrechner zeigt \(11\) Stellen an):
 
\(107\cdot \pi = 107\cdot 3,1415926536=336,15041393\,\text{mm}\).
 
Seinem Freund Andreas erzählt er, dass er den Umfang auf \(8\) Nachkommastellen genau ausgerechnet hat. Doch das stimmt nicht! Seine Messgenauigkeit liegt bei einem Millimeter, die Markierungen auf dem Lineal sind nicht feiner, und mit dem bloßen Auge ist ein genaueres Ablesen nicht mehr einfach und zuverlässig. Der exakte Durchmesser liegt vielleicht bei \(107,\!1493021156\ldots\,\text{mm}\) (außerdem: an welcher Stelle? Das Gefäß wird keinen perfekt kreisförmigen Durchmesser haben!) - unmöglich, das mit einem Lineal und bloßen Augen zu messen. Wenn Fritz \(107\,\text{mm}\) gemessen hat, wird der tatsächliche Durchmesser wohl in dem Intervall \([106,\!5\,\text{mm}; 107,\!5\,\text{mm}]\) liegen. Im einen Extrem wäre der Umfang gleich
 
\(106,\!5\cdot \pi =334,57961761\,\text{mm}\),
 
im anderen Extrem wäre der Umfang gleich
 
 \(107,\!5\cdot \pi =337,72121026\,\text{mm}\).
 
Was lernen wir daraus?
  • Das auf viele Nachkommastellen "genaue" Ergebnis ist nicht sinnvoll. Auf Grund der mangelnden Messgenauigkeit ist der Umfang nicht genauer als "zwischen \(334\) und \(338\) Millimeter" anzugeben. Nachkommastellen werden im Allgemeinen nicht stimmen.
  • \(\pi\) ist im Taschenrechner auf viele Nachkommastellen genau eingespeichert, es spricht nichts dagegen, das auch einfach so zu verwenden. Aber man darf sich von der dargestellten "Rechengenauigkeit" nicht blenden lassen - in obigem Beispiel hätte es gereicht, wenn man die Näherung \(\pi\approx 3,\!1416\) verwendet hätte.