Theorie:

Bei der Wirtschaftspolitik lassen sich um die Europäische Union konzentrische Kreise erkennen: Je
näher die diesen Kreisen angehörigen Staaten der EU stehen, desto niedriger sind die gegenseitigen Handelszölle oder sonstigen Barrieren, die den Handel einschränken. Betrachten wir diese Kreise von innen nach außen:


Erster Kreis

Die Mitgliedstaaten der EFTA (European Free Trade Association - Schweiz, Island, Norwegen, Liechtenstein) stehen der EU am nächsten; sie gehören bereits zum Binnenmarkt der EU. Da sie aber nicht Mitgliedstaaten der EU sind, haben sie keinen Anteil an den Institutionen der EU und können die in diesen getroffenen Entscheidungen nicht mitbestimmen, müssen aber - als Teil des Binnenmarkts - doch den hier geltenden Spielregeln Folge leisten.

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Abb. 1: Die EFTA-Länder (grün) stehen der EU (blau) wirtschaftlich am nähesten.


Zweiter Kreis
Früher haben die assoziierten Staaten von Mittel- und Osteuropa, MOE (Bulgarien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien) sowie die Mittelmeerstaaten Malta, Zypern und die Türkei mit der EU Abkommen geschlossen, die eine schrittweise Reduktion der Zölle bis zur Einrichtung einer Freihandelszone vorsahen. Mittlerweile sind diese Staaten (ausgenommen der Türkei) Mitglieder der EU.

Die Türkei hat ein Abkommen zum Aufbau einer Zollunion mit der EU geschlossen. Durch das im Frühjahr \(2016\) getroffene Abkommen über die Rückführung bzw. Aufname von Flüchtlingen aus Syrien sollten im Gegenzug Beitrittsverhandlungen intensiviert werden - die Beziehungen zwischen Türkei und EU gestalten sich im Sommer \(2016\) allerdings zunehmend kompliziert. 

Dritter Kreis
Im Rahmen der Partnerschaft "Europa-Mittelmeer" wurden Assoziierungsabkommen mit Marokko, Algerien, Tunesien, Israel, Jordanien, Ägypten und dem Libanon geschlossen. Diese Abkommen enthalten aber, anders als die mit den (mittlerweile Mitglieds-)Staaten in Osteuropa, keine Beitrittsperspektive. Mit der autonomen palästinensischen Regierung wurde ein Interimsassoziationsabkommen geschlossen.

Vierter Kreis
In mehreren Abkommen (zuletzt im Cotonou-Abkommen) wurden größere oder kleinere Handelserleichterungen mit inzwischen 79 AKP-Staaten geschlossen, das sind Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik, die früher zu den Kolonien Frankreichs, Großbritanniens, Belgiens und der Niederlande gehört hatten oder mit diesen durch sonstige Beziehungen verbunden waren.
 
Dazu kommen Abkommen mit Ländern in Lateinamerika, mit Russland und anderen früher zur Sowjetunion gehörige Staaten, die die GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) bilden.

Fünfter Kreis
Zu den wichtigsten Außenhandelspartnern der Union gehören die USA, China, Japan, Südkorea, Indien, Brasilien und Kanada. Der Handel mit diesen Staaten richtet sich nach den Regeln der WTO (World Trade Association). Die EU befindet sich derzeit in Verhandlungen mit den bei der Bevölkerung umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und CETA mit Kanada. Sollten diese wie geplant ratifiziert werden, würden die Staaten in der Kreis-Logik näher an Europa rücken.
  
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Abb. 2: Skyline von Shanghai. China ist vom Gesamthandelsvolumen mit der EU nach den USA der bereits wichtigste Handelspartner der EU.


Träger der Wirtschaftspolitik
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU mit Sitz in Brüssel hat beratende Funktion. Er gibt Stellungnahmen zu Fragen ab, die von Vertretenden der verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Union ausgehen.

Die Mitglieder des Ausschusses stammen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Interessensgruppen der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ("Sozialpartner"), Landwirtschaft, Verkehr, Handel, freie Berufe, Versicherungen, Umweltschutzverbände und Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Ausschuss hat 350 Mitglieder, die sich anhand der Bevölkerungszahl der Mitgliedsstaaten zusammensetzen.

Auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene unterhält der Ausschuss Kontakte zu ähnlichen Organisationen und hat auch außerhalb der Union ein weltweites Netz von Verbindungen zu wirtschaftlichen und sozialen Institutionen aufgebaut.

Zu bestimmten Angelegenheiten muss der Ausschuss um Stellungsnahmen ersucht werden, zu anderen kann er gehört werden; er kann sich jedoch auch von sich aus zu Angelegenheiten von gemeinschaftlichem Interesse äußern. Jedenfalls wurde bis jetzt keine Rechtsvorschrift von Bedeutung ohne seine vorherige Anhörung verabschiedet. Seine Stellungnahmen werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
 
Ziele der Wirtschaftspolitik
POLITIK FÜR WACHSTUM UND BESCHÄFTIGUNG
 
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union sollen zu folgender Entwicklung beitragen:
  • Sicherung wirtschaftspolitischer Stabilität im Hinblick auf nachhaltiges Wachstum: die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, die Entwicklung ihrer öffentlichen Finanzen im Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) sicherzustellen (Ziel des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist es, die Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten zu gewährleisten und übermäßige Defizite zu vermeiden). Bei Vorliegen von Leistungsbilanzdefiziten soll außerdem gewährleistet sein, dass sie die geeigneten Strukturreformen und steuerpolitischen Maßnahmen ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Märkte zu verbessern.
  • Stärkung der wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Nachhaltigkeit angesichts des Alterns der europäischen Bevölkerung. Die Mitgliedstaaten müssen für einen ausreichend schnellen Abbau der Staatsschulden sorgen und die Effizienz ihrer Renten-, Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme verbessern. Außerdem müssen sie die Beschäftigungsquoten auf dem Arbeitsmarkt verbessern, um die beruflich geleistete Arbeitszeit zu erhöhen.
  • Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Finanzen.
  • Gewährleistung einer Lohnentwicklung, die Wirtschaftswachstum und Stabilität unterstützt.
  • Koordinierung der makroökonomischen Politik sowie der Struktur- und Beschäftigungspolitik.
  
 
REFORMEN ZUR STÄRKUNG DES WACHSTUMSPOTENZIALS
   
Wissen und Innovation sind wichtige Faktoren für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und nachhaltige Entwicklung. Daher sollen die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen folgendes gewährleisten:
  • Aufstockung der Investitionen in Forschung und Entwicklung
  • Förderung aller Formen der Innovation
  • Förderung der Verbreitung und effizienten Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)
  • Stärkung der industriellen Basis der europäischen Wirtschaft
  • Nachhaltige Nutzung von Ressourcen
  
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Abb. 3: Die nachhaltige Nutzung von Ressourcen gehört zu den Zielen der Wirtschaftspolitik.
 
 
Die EU muss auch ihre Anziehungskraft für Investitionen und ausländische Arbeitskräfte stärken - dazu gibt es folgende Leitlinien:
  • Der Ausbau und die Vertiefung des Binnenmarktes.
  • Die offene und wettbewerbsfähige Gestaltung der Märkte.
  • Die Verbesserung der europäischen und nationalen Regelungen entsprechend ihrer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen und ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Der Verwaltungslast für Unternehmen soll verringert werden.
  • Die Förderung des unternehmerischen Initiativgeists und Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmungen (KMU).
  • Der Ausbau, die Vernetzung und Modernisierung der europäischen Infrastruktur.
  
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Abb. 4: Die europäische Infrastruktur ist ein Faktor für die Anziehungskraft von Investoren und Investorinnen.
 
 
Quellen:
Roland, M. (Hrsg.): GEOGRAPHIE. Lehrbrief 5, Dr. Roland GmbH, Auflage 12/2015, Wien
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:EU_and_EFTA.svg (1.8.2016)
https://pixabay.com/de/photovoltaik-sonnenenergie-352670/ (2.8.2016)