Theorie:

Unter Globalisierungskritik versteht man die kritische Auseinandersetzung mit den Folgen der Globalisierung auf:
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Kultur
  • Umwelt 
  
Auf dem Gebiet der Wirtschaft geht es vor allem um die neoliberale Wirtschaftsordnung bzw. den Neoliberalismus, wie er laut der Kritik von Organisationen wie Weltbank und Welthandelsorganisation weltweit gefördert wird.
  
Akteure der Globalisierungskritik sind eine Vielzahl unterschiedlicher Nichtregierungsorganisationen (NGOs = Non-Governmental Organization) wie beispielsweise Attac und Einzelpersonen wie die indische Schriftstellerin Suzanna Arundhati Roy, der Schweizer Soziologe und Politiker Jean Ziegler oder die kanadische Journalistin und Aktivistin Naomi Klein.
  
Hauptkritikpunkte sind:
  • Die Deregulierung, also der Abbau staatlicher Regelungen (Gesetze, Verordnungen, Richtlinien) und damit verbunden der Abbau sozialer Rechte.
  • Eine alle Bereiche betreffende Kommerzialisierung und Vermarktung durch Privatisierung öffentlicher Unternehmen, Umbau der Sozialhilfe und die Vermarktung von menschlicher und außermenschlicher Natur.
 
 
  
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Abb. 1: Hauptkritikpunkt ist die Deregulierung, also der Abbau staatlicher Regelungen.
 
Geschichte der Globalisierungskritik
Vorläufer der heutigen Globalisierungskritik kann man bereits in früheren sozialpolitischen Strömungen erkennen, wie in der Kapitalismuskritik oder in der Befreiungstheologie. Letztere ist eine religiöse christliche Strömung, die sich im ausgehenden 20. Jahrhundert in Lateinamerika entwickelt hat und unterdrückte Bevölkerungsschichten mithilfe der Kirche befreien will.

Die eigentliche Globalisierungskritik hat sich gegen Ende der 1990er Jahre in verschiedenen Bewegungen entwickelt. In vielen ehemaligen Kolonien betrachten verschiedene soziale Bewegungen die Kämpfe gegen die globalen Abkommen und Institutionen als Fortsetzung der Kämpfe gegen die Kolonialherren.

Ein einschneidendes Ereignis in der globalisierungskritischen Bewegung stellte der Abbruch der 3. WTO-Konferenz in Seattle 1999 dar, nachdem es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Globalisierungskritikerinnen und -kritikern mit der Polizei kam. Nach Seattle erfuhr die globalisierungskritische Bewegung eine weltweite Verbreitung.

Beim G8-Gipfel in Genua 2001 kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der italienischen Polizei und Demonstrierenden. Zwischen 70 000 und 250 000 Globalisierungskritikerinnen und -kritiker nahmen an den Protesten teil.
 
  
  
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Abb. 2: Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden beim G8-Gipfel in Genua.


Gruppierungen der Globalisierungskritik
Globalisierungsgegnerinnen und -gegner sind heute insbesondere in Europa und Nordamerika in verschiedenen Gruppen aktiv, vor allem in NGOs, Gewerkschaften und verschiedenen Netzwerken.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
NGOs spielen eine tragende Rolle in der globalisierungskritischen Bewegung. Sie organisieren regelmäßig Gegen- und Alternativkongresse und nutzen die modernen Kommunikationstechnologien, um ihre Publikationen einer kritischen Öffentlichkeit zuzuführen.

Gewerkschaften
Seit den Ereignissen von Seattle mobilisieren zunehmend auch die Gewerkschaften gegen Treffen internationaler Institutionen. International sind es vor allem einige Gewerkschaftsverbände aus Schwellenländern, die sich an die Seite der neuen Bewegung stellen.

Netzwerke: Beispiel "Attac"
Neben NGOs und Gewerkschaften haben sich verschiedene internationale Netzwerke gebildet. Das in Europa bekannteste ist Attac. Die vom spanischen Journalisten und Wissenschaftler Ignacio Ramonet in seinem Leitartikel in der französischen Monatszeitschrift Le Monde Diplomatique lancierte Idee war, auf weltweiter Ebene eine NGO ins Leben zu rufen, die Druck auf die Regierungen amchen sollte, um eine internationale "Solidaritätssteuer", genannt "Tobin-Steuer", einzuführen.

Gemeint war damit die durch den US-amerikanischen Ökonomen James Tobin Ende der 70er Jahre vorgeschlagene Steuer in Höhe von 0,1 % auf internationale Kapitalflüsse. Der von Ramonet gleichzeitig vorgeschlagene Name dieser Organisation "Attac" sollte, aufgrund seiner sprachlichen Nähe zum französischen Wort attaque, zugleich den Übergang zur "Gegenattacke" signalisieren, nach Jahren der Anpassung an die Globalisierung.
  
  
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Abb. 3: Infostand von Attac in Hannover.

Die Aktivitäten von Attac weiteten sich schnell über den Bereich der Tobinsteuer und die "demokratische Kontrolle der Finanzmärkte" hinaus aus. Mittlerweile umfasst der Tätigkeitsbereich von Attac auch die Handelspolitik der WTO, die Verschuldung der Dritten Welt und die Privatisierung der staatlichen Sozialversicherungen und öffentlichen Dienste. Die Organisation ist inzwischen in einer Reihe afrikanischer, europäischer und lateinamerikanischer Länder präsent.

Sozialforen
Diese unterschiedlichen Netzwerke und Organisationen trafen 2001 erstmals zum Weltsozialforum in Porto Alegre (Brasilien) zusammen - zeitgleich mit dem seit 1971 stattfindenden Weltwirtschaftsforum von Vertretenden aus Konzernmanagement und Wirtschaftspolitik in Davos. Insgesamt waren in Porto Alegre 117 Länder mit mehr als 10 000 Teilnehmenden vertreten. Neben zahlreichen NGOs und Basisbewegungen waren auch 400 Parlamentsabgeordnete anwesend. Porto Alegre galt als Modellprojekt für das Motto der Konferenz: "Eine andere Welt ist möglich".


Die Schwerpunkte späterer Gegengipfel liegen auf einer sozial gerechten Globalisierung sowie bei Menschenrechten (insbesondere Frauenrechten) und ökologischen Themen.
  
Soziale Inhalte der Globalisierungskritik
Zunehmend wird kritisiert, dass die Globalisierung in ihrer jetzigen Form nur den Industrieländern zugute komme, die Entwicklungsländer hingegen immer weiter in Abhängigkeit und Armut treibe.
 
Bemängelt wird vor allem, dass Ländern mit weniger ausgebildeten Sozialsystemen nicht geholfen wird, die Situation zu verbessern, sondern dass die sozialen Errungenschaften (Gesundheits- und Bildungswesen, Arbeitsrecht, Mindestlöhne, Alterssicherung, Schutz vor Kinderarbeit, Frauenrechte usw.) weltweit mit Argumenten wie "Konkurrenzfähigkeit" oder "Sanierung des Staatshaushalts" reduziert werden.

Das Phänomen der zunehmenden Verarmung der Massen sei vor allem auch eine natürliche Folge des Kapitalismus, der ja von einer möglichst hohen Verzinsung des eingesetzten Kapitals lebe. Das aber werde durch die Globalisierung nur verschärft.
 
 
Quellen:
Roland, M. (Hrsg.): GEOGRAPHIE. Lehrbrief 10, Dr. Roland GmbH, Auflage 3/2016, Wien
Quellen:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AGenova-G8_2001-Carica_della_polizia.jpg (7.9.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3A2013-03-30_attac_Hannover_Stand_zum_Ostermarsch_vor_der_Kr%C3%B6pcke-Uhr%2C_II.jpg (7.9.2016)