Theorie:

In diesem und im nächsten Kapitel werden zwei Initiativen vorgestellt, die als alternative Konzepte zum gegenwärtigen Erscheinungsbild der Globalisierung begriffen werden können.
 
Unter den UN-Millenniumszielen versteht man acht Entwicklungsziele für das Jahr 2015, die im Jahr 2000 (also zum Millennium) von einer Arbeitsgruppe aus Vertretenden der UNO, der Weltbank, der OECD und mehreren NGOs formuliert worden sind.
  
Oberstes Ziel war die globale Zukunftssicherung, die in den folgenden vier Handlungsfeldern formuliert wurde:
  • Frieden, Sicherheit und Abrüstung
  • Entwicklung und Armutsbekämpfung
  • Schutz der Umwelt
  • Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung ("good governance")
 
Um das Erreichen dieser Ziele messbar zu machen, legten die Verfasserinnen und Verfasser der Erklärung 21 Zielvorgaben und 60 Indikatoren sowie 1990 als Basis- und 2015 als Zieljahr fest. Es ist also möglich, das Erreichen der Ziele zu beobachten.
 
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Abb. 1: Tafel mit den Millennium-Entwicklungszielen im UN-Hauptquartier.
 
  
Die acht Millenniumsziele sowie eine knappe Zusammenfassung des Standes im Jahr 2015 (laut UN-Bericht 2015) lauten:
  
Ziel 1: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger
  • Zwischen 1990 und 2015 soll der Anteil der Menschen halbiert werden, die weniger als den Gegenwert von 1,25 US-Dollar pro Tag zum Leben haben.
  • Zwischen 1990 und 2015 soll der Anteil der Menschen halbiert werden, die Hunger leiden.
  • Es soll Vollbeschäftigung in ehrbarer Arbeit für alle erreicht werden, auch für Frauen und Jugendliche.
Laut dem UN-Bericht von 2015 lebte im Jahr 1990 fast die Hälfte der Bevölkerung der Entwicklungsländer von weniger als 1,25 Dollar am Tag. Dieser Anteil ist 2015 auf 14 Prozent gesunken.

Die Zahl der in extremer armut lebender Menschen fiel um mehr als die Hälfte, von 1,9 Milliarden auf 836 Millionen. Die Mittelschicht dagegen hat sich fast verdreifacht.
  
Der Anteil unterernäherter Menschen ist im Ziel-Zeitraum beinahe um die Hälfte zurückgegangen, von 23,3 Prozent auf 12,9 Prozent.  
  
  
Ziel 2: Primärschulbildung für alle
  • Bis zum Jahr 2015 soll sichergestellt werden, dass Kinder in der ganzen Welt, Mädchen wie Jungen, eine Primärschulbildung vollständig abschließen können.
Die Netto-Bildungsbeteiligungsquote im Grundschulbereich stieg von 83 auf 91 Prozent. Die Zahl der Kinder, die keine Grundschule besuchen, sank weltweit fast um die Hälfte auf geschätzt 57 Millionen. Das Gefälle zwischen Männern und Frauen im Alphabetisierungsgrad ist geringer geworden.
  
 
Ziel 3: Gleichstellung der Geschlechter/Stärkung der Rolle der Frauen
  • Das Geschlechtergefälle in der Grund- und Sekundarschulbildung und im tertiären Bildungsbereich soll bis spätestens 2015 beseitigt werden.
Diese Zielvorgabe wurde erreicht, die Disparität gilt - zumindest für die gesamte Entwicklungsregion - als beseitigt.
  
  
Ziel 4: Senkung der Kindersterblichkeit
  • Zwischen 1990 und 2015 soll die Kindersterblichkeit von unter 5-Jährigen um zwei Drittel, d.h. von 10,6 Prozent auf 3,5 Prozent gesenkt werden.
Die Sterblichkeit unter 5 Jahren sank - trotz Bevölkerungswachstum - um mehr als die Hälfte, von 90 auf 43 Sterbefälle pro tausend Geburten. Die Rate des Rückgangs seit 1990 hat sich dabei mehr als verdreifacht.
 
 
Ziel 5: Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter
  • Zwischen 1990 und 2015 soll die Sterblichkeitsrate von Müttern um drei Viertel gesenkt werden.
  • Bis 2015 soll ein allgemeiner Zugang zu reproduktiver Gesundheit erreicht werden.
Die Müttersterblichkeitsrate sank seit 1990 weltweit um 45 Prozent.
 
 
Ziel 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten
  • Bis 2015 soll die Ausbreitung von HIV/AIDS zum Stillstand gebracht und eine Trendumkehr bewirkt werden.
  • Bis 2010 sollte ein weltweiter Zugang zu medizinischer Versorgung für alle HIV/AIDS-Infizierten erreicht werden (was nicht gelungen ist).
  • Bis 2015 soll die Ausbreitung von Malaria und anderen schweren Krankheiten zum Stillstand gebracht und eine Trendumkehr bewirkt werden.
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen fiel zwischen 2000 und 2013 um rund 40 Prozent auf geschätzt 2,1 Millionen Fälle. Eine antiretrovirale Behandlung konnte zwischen 1995 und 2003 7,6 Millionen AIDS-Todesfälle abwenden.
  
Die weltweite Malaria-Inzidenzrate sank um geschätzt 37 Prozent, die Sterblichkeitsrate um 58 Prozent.
  
Die Tuberkulose-Sterblichkeitsrate fiel zwischen 1990 und 2013 um 45 Prozent.
 
 
Ziel 7: Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
  • Die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung in der Politik und den Programmen der einzelnen Staaten sollen verankert und die Vernichtung von Umweltressourcen eingedämmt werden.
  • Der Verlust der Biodiversität soll verringert werden, und bis 2010 sollte eine signifikante Drosselung der Verlustrate erreicht werden (auch dieses Ziel wurde nicht erreicht).
  • Bis 2015 soll der Anteils der Menschen ohne dauerhaft gesicherten Zugang zu hygienisch einwandfreiem Trinkwasser (von 65 Prozent auf 32 Prozent) halbiert werden.
  • Bis 2020 soll eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingungen von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern und -bewohnerinnen bewirkt werden.
Einige Daten: Ozonabbauende Stoffe wurden seit 1990 praktisch abgeschafft, die Ozonschicht sollte sich voraussichtlich bis Mitte des Jahrhunderts erholt haben.
  
Land- und Meerschutzgebiete haben in vielen Regionen erheblich zugenommen.
  
2015 hatten 91 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zu verbesserter Trinkwasserversorgung, im Jahr 1990 waren es nur 76 Prozent.
  
Der Anteil der in Slums lebenden städtischen Bevölkerung in den Entwicklungsregionen sank zwischen 2000 und 2014 von ca. 39,4 Prozent auf ca. 29,7 Prozent.
  
  
Ziel 8: Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung
  • Weitere Fortschritte bei der Entwicklung eines offenen, regelgestützten, berechenbaren und nicht diskriminierenden Handels- und Finanzsystems sollen erreicht werden. Dies umfasst die Verpflichtung zu verantwortungsbewusster Regierungsführung, zu Entwicklung und zur Senkung der Armut - sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.
  • Die besonderen Bedürfnisse der am wenigsten entwickelten Länder (LLDC, Least Developed Countries) sollen berücksichtigt werden. Das beinhaltet den Abbau von Handelshemmnissen, Schuldenerleichterung und -erlass, besondere finanzielle Unterstützung der aktiv um Armutsminderung bemühten Länder.
  • Den besonderen Bedürfnissen der Binnen- und kleinen Insel-Entwicklungsländern soll Rechnung getragen werden.
  • Umfassende Anstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene zur Lösung der Schuldenprobleme der Entwicklungsländer sollen vorgenommen werden.
  • In Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern sollen Strategien zur Schaffung menschenwürdiger und sinnvoller Arbeitsplätze für junge Menschen erarbeitet und umgesetzt werden.
  • In Zusammenarbeit mit den Pharmaunternehmen soll Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln zu erschwinglichen Preisen in Entwicklungsländern gewährleistet werden.
  • In Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor soll dafür gesorgt werden, dass die Vorteile neuer Technologien, insbesondere von Informations- und Kommunikationstechnologien, von Entwicklungsländern genutzt werden können.
Die öffentliche Entwicklungshilfe stieg zwischen 2000 und 2014 um 66 Prozent auf 135,2 Milliarden Dollar. Außerdem gab es Erfolge, was Zölle, Ausslandsschulden, Moblilfunkanschluss und Internetanschluss betrifft.
  
 
Kritisiert wurde, dass viele Zahlen objektiv kaum überprüft werden können. Außerdem, dass die erreichten Ziele nur in einem sehr großen Maßstab (weltweit) erreicht wurden. In einzelnen Ländern oder Regionen blieb die Lage sehr schlecht, was auch der UN-Bericht ausdrückt. Ebenso hält dieser fest, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern sehr wohl fortbesteht und Klimawandel und Umweltzerstörung den bereits erreichten Zielen entgegen wirken.
 
Schließlich wurde auch kritisiert, dass Ziele und auch Tendenzen nur erreicht werden konnten, weil die Ziele oder Definitionen "nachgebessert" wurden. Dazu gehört zum Beispiel, dass das Basisjahr von 2000 auf 1990 zurückverlegt wurde.
 
Im Jahr 2015 wurden 17 neue Ziele für nachhaltige Entwicklung unter dem Namen "Agenda 2030" beschlossen.
 
 
Quellen:
Roland, M. (Hrsg.): GEOGRAPHIE. Lehrbrief 10, Dr. Roland GmbH, Auflage 3/2016, Wien
UN-Millenniumsziele: http://www.un.org/Depts/german/millennium/MDG%20Report%202015%20German.pdf (7.9.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AMillennium_Development_Goals%2C_UN_Headquarters%2C_New_York_City%2C_New_York_-_20080501.jpg (7.9.2016)