Theorie:

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Schon seit tausenden von Jahren ist der Menschheit der Lauf der Sonne und des Mondes bekannt, die Unbeweglichkeit der Fixsterne, und einige Planeten (zumindest Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn), die zwar mit freiem Auge (fast) wie Sterne aussehen, sich aber im Gegensatz zu den Sternen im Laufe der Zeit bewegen.
 
Beobachtet man den Sternenhimmel, sowie den Lauf der Sonne und des Mondes, so könnte man schnell zu dem Schluss kommen, dass die Erde im Mittelpunkt des himmlischen Geschehens ist. Schließlich bewegen sich alle Sterne, wie auf einer riesigen Sphäre befestigt, vollkommen gleichmäßig über den Himmel. Auch die Sonne und der Mond scheinen jeweils auf einer kreisförmigen Bahn mit konstanter Geschwindigkeit um die Erde zu kreisen. Da man auch keine Bewegung der Erde "spürt", und diese im Gegensatz zu den Himmelskörpern zu ruhen scheint, ist die Annahme, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums ruht, relativ naheliegend. Und tatsächlich war das erste widerspruchsfreie Weltbild ein geozentrisches:
Dieses stammt aus dem antiken Griechenland. Die Grundlagen dafür waren aber nicht ausschließlich experimentell festgestellte Tatsachen, sondern es spielten auch ästhetische und philosophische Aspekte eine wichtige Rolle. Die Grundidee ist jedenfalls, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums steht.
Kugelform der Himmelskörper
Bereits um \(600\) v.Chr. taucht der Gedanke erstmals auf, dass die Erde kugelförmig sein könnte. Der berühmte Philosoph Aristoteles argumentiert im \(4\). Jhd v.Chr. folgendermaßen: Bei einer Mondfinsternis steht die Erde zwischen Mond und Sonne. Der Mond bewegt sich damit durch den von der Erde geworfenen Schatten durch.
 
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Abb.: Verschiedene Stadien einer Mondfinsternis. Der Mond wandert immer weiter in den Erdschatten hinein. Man erkennt, dass der Erdschatten an dieser Stelle einen kreisbogenförmigen Rand hat.
 
Nun ist der Schatten der Erde bei einer Mondfinsternis immer kreisförmig. Wäre die Erde keine Kugel, so müsste bei manchen Finsternissen der Schatten eine andere Form haben.
Kurz danach, um \(240\) v.Chr., erfolgte übrigens bereits die erste überlieferte Bestimmung des Erdumfanges: Eratosthenes verglich den Sonnenstand zu Mittag an verschiedenen Orten (je weiter südlich man auf der Nordhalbkugel steht, desto höher steht die Sonne), und konnte so den Erdumfang bestimmen. Seine Messung weicht von dem heute bekannten, exakteren Wert um weniger als \(5\,\%\) ab!
 
Die Bahnen der Himmelskörper
 
Gestützt von der Beobachtung, dass die Erde kugelförmig war, sowie einer Kreisen und Kugeln zugeschriebenen "Vollkommenheit", war Aristoteles überzeugt, dass die Erde und die Himmelskörper exakte Kugeln wären, und diese sich auf exakten Kreisbahnen bewegten. Dabei wurde selbstverständlich die Erde als Mittelpunkt des gesamten Systems angenommen. Alle anderen Himmelskörper würden sich um die Erde bewegen, die Erde stehe ruhend im Zentrum.
Als geozentrisches Weltbild (aus dem Altgriechischen, "erdbezogen") bezeichnet man ein Modell des beobachtbaren Universums (Sonne, Mond, Planeten, Sterne), in dem die Erde (meist unbewegt) im Mittelpunkt steht. Alle Bewegung findet um die zentrale Erde statt.
Diese Theorie stieß aber bald auf erste Schwierigkeiten (was hauptsächlich an der Annahme lag, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei): So bewegen sich die Planeten eben nicht gleichmäßig wie Sterne, Sonne oder Mond über den Himmel, sondern bewegen sich mal schneller, mal langsamer, und ändern manchmal sogar ihre Bewegungsrichtung in Bezug zu den Fixsternen (d.h. ein Planet wird "rückläufig"). Das steht im eklatanten Widerspruch zur Theorie, dass Planeten sich auf Kreisbahnen um die Erde bewegen!
 
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Illustration der Rückläufigkeit von Planetenbahnen. Darstellung im heutigen Weltbild, in dem die Erde (blau) und ein anderer Planet (z.B. Mars; rot) beide um die Sonne kreisen. Die Erde bewegt sich schneller um die Sonne als Mars, und "überholt" daher Mars von innen. Während des "Überholt-Werdens" scheint Mars sich am Sternenhimmel (der einen fixen Hintergrund darstellt) rückläufig zu bewegen.
 
Erst über \(500\) Jahre nach Aristoteles fand Ptolemäus, ebenfalls ein griechischer Philosoph, eine Lösung, die das Verhalten der Planeten in Einklang mit Aristoteles' geozentrisches Weltbild, basierend auf perfekten Kreisbahnen, bringen sollte. Gemäß Ptolemäus bewegt sich jeder Planet auf einem kleinen Kreis, einem "Epizykel", der Mittelpunkt dieses kleinen Kreises bewegt sich dann auf einem größeren Kreis um die Erde.
 
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Abbildung: Der Planet bewegt sich auf einem kreisförmigen Epizykel, und dieser kreist auf dem ebenfalls kreisförmigen Deferenten um die Erde. Beachte die roten Pfeile, die die Bewegungsrichtung des Planeten illustrieren: Um die innerste Stelle (bei der "Schlaufe") bewegt sich der Planet in die Gegenrichtung - das könnte die Rückläufigkeit mancher Planeten erklären.
 
Auf diese Art lässt sich (näherungsweise) die beobachtete Bewegung der Planeten erklären, insbesondere die Rückläufigkeit derselben. Im Lauf der Jahrhunderte wurde das Ptolemäische Weltbild erweitert und ergänzt, um die Theorie noch besser mit den genauer werdenden Beobachtungen in Einklang zu bringen. Besondere Fortschritte wurden hier von arabischen und persischen Wissenschaftlern erzielt. So wurde es notwendig, Epizykel auf den Epizykeln einzuführen, d.h. Planeten würden sich auf einer kleinen Kreisbahn bewegen, die ihrerseits auf dem Epizykel kreist, der wiederum auf dem Deferenten um die Erde kreist. Des weiteren wurde in den späteren Modellen die Erde aus dem Zentrum entfernt, und sie musste ihrerseits auf einer kleinen Kreisbahn um das eigentliche Zentrum des Planetensystems kreisen (siehe Abbildung). Spätestens ab diesem Moment hatte das geozentrische Weltbild die von Aristoteles angestrebte Eleganz und Vollkommenheit eingebüßt.
 
Trotz seiner Makel blieb das geozentrische Weltbild bis in das \(16\). Jhd. hinein das vorherrschende Weltbild . Erst durch Kopernikus sollte sich das ändern.
Heutzutage gibt es Satelliten, die die Erde umkreisen und Fotos der kugelförmigen Erde zeigen; Raumsonden, die durch das Sonnensystem reisen, und andere Planeten erforschen. Man kennt die Fotos von Astronauten auf dem Mond, von Sonden und Rovern, die auf anderen Planeten und Monden unseres Sonnensystems gelandet sind. All diese Bilder, und das zugehörige Weltbild gehören für uns zum Alltag, und sind selbstverständlich für uns. In Anbetracht dessen erscheinen uns die Versuche von Aristoteles und Ptolemäus möglicherweise als unbeholfen und belächelnswert.
Doch hätten wir all die Informationen, die uns die Raumfahrt gebracht hat, nicht zur Verfügung, so wäre es plötzlich sehr schwierig, das geozentrische Weltbild zu widerlegen. Man müsste schon sehr genaue Messungen anstellen, um das geozentrische Weltbild zugunsten des Weltbildes zu verwerfen, das wir heute haben. In Anbetracht der damaligen Messmöglichkeiten sind die Leistungen von Aristoteles, Ptolemäus, ..., bemerkenswert.
 
Quellen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Geozentrisches_Weltbild
[2] Bild zur Mondfinsternis: By Daniel Vincoletto (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons. https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ALunar_eclipse.jpg
[3] Bild zur Rückläufigkeit: By Brian Brondel [CC-BY-SA-3.0 or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 ] via Wikimedia Commons. https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ARetrograde_Motion.bjb.svg
[4] Bild zu Epizykeln: By Joerg-ks (Own work) [CC BY-SA 4.0]. https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3APtolemaic_deferent_and_epicycle_taking_into_account_the_three_centres.svg
[5] Bild zu Geozentrischem Weltbild: Andreas Cellarius [Public domain], via Wikimedia Commons. https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ACellarius_Harmonia_macrocosica_1708_Scenographia_systematis_mundani_ptolemaici.jpg