Theorie:

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Theodor Storm (1817 - 1888)
 
Theodor Storm aus Husum in Friesland warRechtsanwalt. Er lebte als Heimatvertriebener eine Zeitlang in Potsdam und war in den letzten Lebensjahren Landvogt und Richter in seiner Heimatstadt. Storm ist ein Dichter der Innerlichkeit, der Einfachheit und eines herben psychologischen Realismus. Seine Dichtungen haben eine einzigartige Stimmung. Themen sind Vergänglichkeit, Trauer und Resignation.
Novellen
Storm ist wie Eichendorff und Stifter ein lyrischer Novellist. Seine Dichtkunst liegt abseits des lauten Weltgetriebes. Storm ist knapper, kräftiger und sachlicher, er ist ein Tragiker der Novelle. Seine Novellen sind formstreng und psychologisch interessant. Er gibt ihnen gerne eine Rahmenhandlung. Storms Novellen zeigen eine Entwicklung von der lyrischen Stimmungsnovelle mit romantischen Zügen zur realistischen Novelle voll tiefer Tragik.
 
"Immensee"
 
In der Rahmenerzählung kehrt der alte Reinhard Werner an einem Spätherbstnachmittag von einem Spaziergang nach Hause zurück und setzt sich in seiner Stube in einen Lehnstuhl. Allmählich wird es dunkel. Da fällt ein Mondstrahl durch die Fensterscheiben auf die Gemälde an der Wand, und er folgt unwillkürlich dem weiterrückenden Mondlicht.
Nun beleuchtet es ein kleines Bild in schlichtem, schwarzen Rahmen, "Elisabeth", seine Jugendfreundin. Er erinnert sich nun an seine Jugendzeit, wie er mit Elisabeth aufwuchs und von ihr getrennt wurde, als er auf die Universität in eine andere Stadt kam. Sie heiratete auf Drängen ihrer Mutter Erich, einen jungen Gutsherren, mit dem sie auf Immensee zog. Nach vielen Jahren sah er sie auf Immensee wieder, beschloss aber, nie wiederzukommen, um nicht ihren Seelenfrieden zu stören.
 
Die Novelle handelt vom versäumten Augenblick, der Unerreichbarkeit des Glücks. Die Handlung tritt hinter markanten Stimmungsbildern zurück.
 
"Pole Poppenspäler"
 
Diese Novelle ist eine Ich-Erzählung in Form einer Jugenderinnerung. Der Kunstdrechslermeister Paul Paulsen erzählt, wie er zu seinem Spitznamen Pole Poppenspäler (= Paul Puppenspieler) gekommen ist. Als Knabe lernt er Lisei, die Tochter eines fahrenden Puppenspielers kennen, der er nach Jahren wieder begegnet.

Er heiratete das hübsche Mädchen und nahm auch ihren Vater in sein Haus auf. Als ihr Vater wieder ein Puppenspiel aufführte, stören böse Jungen die Vorstellung. Am nächsten Morgen stand mit Kreide an der Haustür Paul Paulsens "Pole Poppenspäler".
  
"Der Schimmelreiter"
  
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Der Schimmelreiter, Bild von Franz Karl Basler-Kopp
 
In dieser Novelle erzählt ein alter Schulmeister, wie der gespenstische Schimmelreiter in einer Sturmnacht am Nordseedeich erschienen ist. Nun folgt die Geschichte des Schimmelreiters: Der Bauernsohn Hauke Haien war Kleinknecht beim Deichgrafen Tede Volkerts und gewann die Zuneigung der Tochter des Deichgrafen, Elke.

Da verlässt der Großknecht Ole Peters das Haus des Deichgrafen, und Hauke wird sein Nachfolger. Nach dem Tode Volkerts' wird Hauke Deichgraf und Elke seine Gemahlin. Er will nun einen neuen Deich bauen, um dem Meere Land abzugewinnen. Gegen den Unverstand und Argwohn der Dorfgenossen setzt er seinen Plan durch.

Eines Tages kauft er einen halbverhungerten Schimmel, der bald sein Lieblingspferd wird und von dem die feindlich gesinnten Leute Schauergeschichten erzählen, u. a. dass er ein Teufelspferd sei. Seit dieser Zeit heißt Hauke der Schimmelreiter. Indessen schreitet der Bau des Deiches mächtig fort. Da bricht im Herbst eine große Sturmflut den alten Damm, der neue hält stand.

Haukes Frau und Kind kommen jedoch in der Sturmflut um, ohne dass er rettend eingreifen könnte. Aus Verzweiflung gibt er dem Schimmel die Sporen und stürzt sich in die stürmische See. Im Andenken des Volkes lebt Hauke als Schimmelreiter weiter, dessen Nahen Unheil anzeigt.
 
In dieser Novelle mischen sich Realismus und Romantik. Hauke Haien muss für die Gemeinschaft etwas tun, es aber gegen sie durchsetzen (Kurzsichtigkeit und Tatenscheu der Masse). Es geht also um die Urtragödie des schöpferischen Menschen: der Kampf gegen die Elementarmacht und die menschliche Unvernunft.
 
Lyrik
Storms Gedichte gehören zu den zartesten und sangbarsten der deutschen Literatur. Sie sind wie die Gedichte Mörikes schlicht, sparsam mit Worten, haben dieselbe Reinheit und Innigkeit des Gefühls, denselben Wohllaut der Sprache und dieselbe Neigung zum Besinnlichen. Themen sind Naturschilderungen seiner Heimat (Moor, Heide usw.), die Familie im Jahreskreislauf und Patriotismus.
 
Dämmerstunde

Im Sessel du und ich zu deinen Füßen,
das Haupt zu dir gewendet, saßen wir;
und sanfter fühlten wir die Stunden fließen,
und stiller ward es zwischen mir und dir;
bis unsere Augen ineinandersanken
und wir berauscht der Seele Atem tranken.
 
Abseits

Es ist so still; die Heide liegt
im warmen Mittagssonnenstrahle,
ein rosenroter Schimmer fliegt
um ihre alten Gräbermale;
die Kräuter blühn; der Heideduft
steigt in die blaue Sommerluft ...

 

Keller war ein Dichter der Innerlichkeit, der Einfachheit und eines herben psychologischen Realismus. Er gilt als lyrischer Novellist, als Tragiker der Novelle.

  

Wichtige Werke:

  • "Der Schimmelreiter"
  • "Immensee" u.a.
Quellen:
Schenk, I. (2015): DEUTSCH. Lehrbrief 24, Dr. Roland GmbH, 2. Auflage, Wien
Mayer, Stephanie (2015): DEUTSCH. Literaturgeschichte 2, Dr. Roland GmbH, 8. Auflage, Wien 
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ADie_Gartenlaube_(1887)_b_597.jpg (24.5.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ABasler-Kopp_Schimmelreiter_1.jpg (24.5.2016)