Theorie:

Familienpolitik
Familienpolitik soll die Familienbildung begünstigen, ohne eine bestimmte Lebensform zu bevorzugen. Zugleich zielt diese Politik auf einen Lasten- und Leistungsausgleich zwischen kinderbetreuenden und kinderlosen Haushalten. Eines der wesentlichen Ziele von Familienpolitik liegt darin, bessere Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit zu schaffen. Die steigende Teilnahme von Müttern am Erwerbsleben wurde nämlich nicht im selben Umfang von einer Übernahme von Haus- und Familienarbeiten durch Männer begleitet. In mindestens der Hälfte der ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern in Österreich sind die Frauen doppelt belastet (Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf).
 
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Abb. 1: Durch die Familienpolitik soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen werden.
 
Durch eine Reihe gesetzlicher Regelungen ("Familienpaket" 1990, "Gleichbehandlungspaket" 1992), wurde insbesondere versucht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erhöhen sowie Hausarbeit und Kinderbetreuung gerechter zu verteilen. Rechtlich wurde der Mutterschutz verbessert, die Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten bei Karenzurlaub (Elternurlaub) und Teilzeitarbeit vergrößert. Die Freistellung zur Pflege von Familienangehörigen und die Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung bei der Pensionsberechnung wurden erweitert. Seit 1998 haben Personen mit Betreuungspflichten erstmals das gesetzliche Recht, mit ihren Arbeitgebenden eine Herabsetzung der Normalarbeitszeit zu vereinbaren. Nach wie vor ist jedoch der Anteil der Väter in Karenz relativ gering.

Instrumente und Maßnahmen der Familienförderung
Transfereinkommen: Zu unterscheiden sind dabei
  • laufende Transfers an alle kinderbetreuenden Haushalte (nach dem Alter der Kinder gestaffelte Familienbeihilfen, Mehrkinderzuschläge)
  • ereignisbezogene Transfers (Mutter-Kind-Bonus, Wochengeld, Karenzurlaubsgeld, Betriebshilfe für Selbständige)
  • zielgruppenspezifische Transfers (erhöhte Familienbeihilfe für Eltern mit erheblich behinderten Kindern, erhöhtes Karenzurlaubsgeld und Sondernotstandshilfe vor allem für Alleinerziehende kleiner Kinder, staatlicher Unterhaltsvorschuss, Familienhärteausgleich, Kleinkindbeihilfe)
Steuerliche Besserstellung: Ansatzpunkt der Umverteilung ist die Besteuerung. Ins Gewicht fallen:
  • Steuerbegünstigung für Eltern mit Kindern (Kinderabsetzbeträge, die gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausgezahlt werden und deren Höhe mit der Anzahl der Kinder steigt)
  • auf spezifische Lebenslagen bezogene Steuerbegünstigungen (Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag, Berücksichtigung von Sonderausgaben für behinderte Kinder)
Versicherungsschutz: familenfördernden Charakter in der Sozialversicherung haben:
  • kostenlose Mitversicherung von Angehörigen in der Krankenversicherung (dadurch Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung für Familienangehörige)
  • Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung bei der Bemessung der Alterspensionen der Eltern (maximal vier Jahre pro Kind)
Arbeitsrechtliche Ansprüche: Familienpolitisch motiviert sind in erster Linie:
  • Kündigungs- und Entlassungsschutz für unselbständig erwerbstätige Schwangere, Frauen im Mutterschutz sowie Frauen und Männer im Karenzurlaub und während einer Teilzeitbeschäftigung aus Anlass der Elternschaft
  • Anspruch auf Karenzzeit bzw. Teilzeitbeschäftigung aus Anlass der Elternschaft und Pflegefreistellung (für Mütter und Väter)
  • Herabsetzung der Normalarbeitszeit aufgrund von Betreuungspflichten (dazu ist eine Vereinbarung mit den Arbeitgebenden notwendig)
Sozialrechtliche Ansprüche:
  • Berücksichtigung der familiären Situation im sozialen Wohnbau und bei der Wohnbauförderung
Infrastruktur- und Sachleistungen: Frauen- und familienpolitisch relevant sind in erster Linie:
  • unentgeltliche medizinische Versorgung für Schwangere, Mütter und Kleinkinder (Mutter-Kind-Pass, unentgeltliche Entbindung)
  • Beratungsdienste (Schwangeren- und Mütterfürsorge, Familienberatung, Frauenberatung, Erziehungsberatung, Sexualberatung)
  • institutionelle Kinderbetreuung (subventionierte Kindergärten, Krippen und Horte)

Leistungen für Schülerinnen und Schüler, Lehrlinge und Studenten:
  • unentgeltlicher Besuch aller öffentlichen Schulen und Hochschulen, Studienbeihilfen
  • Schüler- und Schülerinnenförderung (freier Transport zur Schule bzw. Schulfahrtbeihilfe, unentgeltliche Schulbücher), Familien- und Kindertarife bei öffentlichen Verkehrsmitteln und anderen öffentlichen Einrichtungen
Sozialpolitik
Österreich ist ein Wohlfahrtsstaat. Der Ausbau des heutigen Wohlfahrtsstaats erfolgte vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu seiner Ausgestaltung trug das österreichische Modell konsensualer Politik zwischen Arbeitgebenden- und Arbeitnehmendenorganisationen ("Sozialpartnerschaft") entscheidend bei.
Die Hauptziele heutiger Sozialpolitik sind die Einkommens- und Statussicherung und die Absicherung gegen spezifische Lebensrisiken. Erst in zweiter Linie geht es im Rahmen dieser Umverteilung um mehr Verteilungsgerechtigkeit.
 
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Abb. 2: Die Sozialpartnerschaft mit Arbeitnehmenden- und Arbeitgebendenvertretung
 
Nach dem Volumen der Umverteilung ist die gesetzliche Sozialversicherung die bedeutendste Trägerin von Sozialpolitik in Österreich. Darunter fallen Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung. Für unselbständig Erwerbstätige besteht daneben die gesetzliche Arbeitslosenversicherung. Weiters von Bedeutung sind
der Familienlastenausgleich, der soziale Wohnbau und die von Ländern und Gemeinden finanzierte Sozialhilfe.