Theorie:

Die Blütezeit des Klassischen Liberalismus war die Epoche ab dem Ende des 19. Jahrhunderts. Wie dieser wendet sich auch der in den 1990er Jahren stark gewordene Neoliberalismus gegen ein aktives Eingreifen des Staates in die Wirtschaftsprozesse, fordert aber eine staatliche Ordnungspolitik, die den Wettbewerb fördern und dem Entstehen von privaten Machtpositionen entgegenwirken soll. Betont wird der Zusammenhang von politischer und wirtschaftlicher Freiheit.
 
Heute wird der Begriff Neoliberalismus oft negativ verwendet als Vorwurf an einen schrankenlosen Kapitalismus, der zu einem Verlust sozialer Errungenschaften führe.

 
Die Schulen der neoliberalen Maktwirtschaft in den USA
Die Zuordnung wirtschaftlicher Strömungen zum Neoliberalismus ist nicht ganz eindeutig. Fast immer aber gilt als Vorläufer oder wichtigsterImpulsgeber der österreichische Ökonom Friedrich von Hayek (als Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie), wie auch die von ihm gegründete Mont Pèlerin Society, die sich für die Verbreitung (neo-)liberalen Gedankenguts weltweit einsetzt.
 
Die Chicago School ist als Gegenbewegung zum zunehmenden Interventionismus in den USA in der Zwischenkriegszeit entstanden (vor allem zum New Deal - einem Bündnis von Wirtschafts- und Sozialreformen in den 1930er Jahren). Interventionismus ist gekennzeichnet durch staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Die Vertreter der Chicago School waren zumeist auch politisch und bemühten sich um die Umsetzung einer freiheitlichen Ordnung in politische Realität.
 
Als einer der bedeutendsten Vertreter des Neoliberalismus gilt der Nobelpreisträger Milton Friedman. Er entwickelte die geldpolitische Theorie der Chicago School zum Monetarismus weiter. Nach den Monetaristen ist die Steuerung der Geldmenge der zentrale Faktor in der Steuerung der Wirtschaft - punktuelle staatliche Eingriffe werden dagegen abgelehnt. Die Verstaatlichung natürlicher Monopole lehnt Friedman als nicht zweckführend ab. Ebenso erreiche staatliche Einkommensumverteilung nicht die selbst gesteckten Ziele.
 
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Abb. 1: Die Theorie des Monetarismus geht auf den Ökonom Milton Friedman zurück.
  
Noam Chomsky - Gegner des Neoliberalismus

In seinem 1998 veröffentlichten Buch "Profit over People - Neoliberalism and Global Order" vertritt der Wissenschaftler und linke Intellektuelle Noam Chomsky seine Ansicht, der Neoliberalismus habe seit Ronald Reagan (US-Präsident von 1981-1989) und Margaret Thatcher (Premierministerin Großbritanniens von 1979-1990) weltweite Vorherrschaft erlangt. Dies habe zur Privilegierung weniger Reicher auf Kosten der großen Mehrheit geführt.
 
Große Konzerne und Kartelle beherrschten das politische Geschehen in den USA. Der freie Markt bringe somit keineswegs eine Wettbewerbsordnung hervor. Durch den politischen Einfluss großer Unternehmen auf die US-amerikanischen Parteien werde dauerhaft die Demokratie untergraben. Als Alternative sieht er einen freiheitlich durchsetzten Sozialismus.
 
Das neoliberale US-Wirtschaftsmodell
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Abb. 2: Die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt.
 
 
Mit einem BIP von voraussichtlich ca. 18,5 Billionen Dollar im Jahr 2016 ist die Wirtschaft der Vereinigten Staaten ist die größte Volkswirtschaft der Erde. Der bei weitem größte Teil der Inlandsproduktion wird von privaten Unternehmen erwirtschaftet, während die Regierung das wirtschaftliche Geschehen im Sinn der neoliberalen Marktwirtschaft vergleichsweise gering beeinflusst (normalerweise - nach der Finanzkrise zeigte sich die US-Regierung etwa sehr viel mehr interventionistisch als die EU).
 
Grundlagen
 
Grundlage der wirtschaftlichen Stärke der USA sind ihre natürlichen Ressourcen. Die Vereinigten Staaten sind reich an Bodenschätzen und fruchtbaren Böden und haben ein gemäßigtes Klima. Eine weitere Grundlage ist das Arbeitskräftepotential: hohe Geburtenraten in Verbindung mit einem hohen Zufluss an Einwanderinnen und Einwanderern sorgen für ein umfassendes Angebot an Arbeitskräften.
 
Fast zwei Drittel der Gesamtproduktion des Landes dienen dem privaten Konsum. Die Rolle der Verbrauchenden ist tatsächlich so groß, dass das Land manchmal als "Verbraucherwirtschaft" bezeichnet wird.
 
Mittelstand und Großkonzerne
 
Die amerikanische Volkswirtschaft verfügt über ein breites Spektrum von Unternehmen, das von Einmannbetrieben bis zu weltweit größten Konzernen reicht.
 
Außenhandel
 
Die USA setzen sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts für den Abbau von Handelsschranken ein und waren daher auch maßgeblich am Abschluss des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), einem internationalen Kodex für Zoll- und Handelsregeln und dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) beteiligt.
 
Es wird sich weisen, inwiefern der im Herbst 2016 neu gewählte Präsident Trump das bisher gültige Paradigma des Abbaus von Handelsschranken umstürzen wird. Angekündigt wurde jedenfalls ein Schwenk hin zum Protektionismus.
 
Ein großes Problem für die USA ist, dass der Import den Export dauerhaft bei Weitem übersteigt. Der Fehlbetrag muss durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland finanziert werden, wodurch sich die USA zunehmend gegenüber dem Ausland verschulden.
 
Geld- und Finanzpolitik
 
Die Regierung versucht, das Tempo der Wirtschaftsentwicklung zu bestimmen und bemüht sich dabei um ein hohes Beschäftigungsniveau und stabile Preise. Sie hat zwei wichtige Instrumente, um diese Ziele zu erreichen: Die Finanzpolitik, durch die sie das entsprechende Steuer- und Ausgabenniveau bestimmt, und die Geldpolitik, durch die sie den Geldumlauf steuert.
 
Die Geldpolitik liegt in der Verantwortung des als "Federal Reserve System" (FED) bezeichneten Zentralbanksystems.
 
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Abb. 3: Das „Eccles Building“ ist der Hauptsitz der FED in Washington, D.C.
 
 
Verschuldung
 
Die USA haben mit bereits ca. 19.8 Billionen Dollar (Stand Oktober 2016) einen gigantischen Schuldenberg angehäuft (wenn man diese Staatsschulden auf die einzelnen Bürger umrechnet, wäre jeder mit rund 60 000 Dollar verschuldet). In den vergangenen Jahren, nicht zuletzt durch großzügige finanzpolitsche Maßnahmen nach der Finanzkrise, sind die Schulden immer weiter angestiegen.
 
Neben der öffentlichen Verschuldung ist auch die private Verschuldung sehr hoch: die gesamten Kreditkartenschulden und andere Kredite privater Haushalte summieren sich auf beinahe 1,6 BillionenDollar. Allein auf Kreditkarten entfällt fast eine Billion Dollar. Dazu kommen weitere Kredite wie etwa Studierendenkredite: aktuelle und ehemalige Studentinnen und Studenten sind insgesamt mit ca. 1 Billion Dollar verschuldet.
Insgesamt sollen sich die privaten Schulden der Haushalte auf etwa 12 Billionen Dollar summieren.
 
Lateinamerika
 
Die neoliberale Politik wurde von breiten Kreisen in Lateinamerika als Katastrophe betrachtet, als Geschenk an die multinationalen Konzerne, die privatisierte Betriebe und Ressourcen billig kaufen konnten. Den Preis mussten die Lohnabhängigen zahlen, deren Lebensstandard noch weiter nach unten getrieben worden ist.
 
Ungefähr 35 Prozent der Bevölkerung in Lateinamerika lebt in Armut, kann also seine Grundbedürfnisse nicht befriedigen (wobei der Prozentsatz tendenziell fällt). Diese Politik hat zu Massenopposition gegen die Regierungen, die diese Maßnahmen umgesetzt haben, geführt.
 
Neue linke Regierungen
 
So kam es auch zu einem Machtwechsel in manchen südamerikanischen Staaten. Linke Regierungen übernahmen in Venezuela, Argentinien und Bolivien das Ruder. In Bolivien kam mit Evo Morales ein indigener Präsident an die Spitze - das erste Mal, dass ein nicht europäisch-stämmiger Präsident in Bolivien gewählt wurde.
 
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Abb. 4: Evo Morales ist seit 2006 der erste indigene Präsident Boliviens.
 
Staatsintervention
 
Diese neuen Regierungen unterstützen eine Politik von stärkerer Staatsintervention in der Wirtschaft:
 
In Venezuela entstanden Joint Ventures zwischen staatlichen Gesellschaften und privaten Multis.
In Argentinien hat die Regierung wieder die Verwaltung der Flughäfen an sich genommen, 40 Prozent der privatisierten staatlichen Fluglinie erworben und die bisher private Wasserversorgung der Hauptstadt Buenos Aires verstaatlicht.

In Bolivien hat Evo Morales die Öl- und Gasindustrie verstaatlicht. In Venezuela errichtete Hugo Chavez (Präsident 1999-2013) Joint Ventures mit privaten Unternehmen, in denen der Staat durch "50 Prozent + 1 Aktie" die Kontrolle hat. Dieses auch in anderen südamerikanischen Staaten geübte System wird dort als "Andenkapitalismus" bezeichnet; es soll als Alternative zum Neoliberalismus einen "Kapitalismus mit einem menschlicheren Antlitz" schaffen.
 
Die Kerngruppe, angeführt von Venezuela (heute unter Chavez' Nachfolger Nicolás Maduro), arbeitet auf eine größere regionale Integration hin und verstärkt die Handelsverbindungen mit anderen Ländern als den USA (wie z. B. Europa, China, Russland und Kuba).
 
In Brasilien und Argentinien übernahmen zuletzt allerdings wieder konservative Regierungen die Macht, denen ein gutes Klima für Investierende wichtiger ist, als die Sozialprogramme der vorhergehenden Regierungen.
 
Bekämpfung der Massenarmut
 
Chavez und Morales haben einige wichtige soziale Reformen durchgeführt - vor allem im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie durch die Ausgabe billigen Essens. In Venezuela geschieht das durch die Einrichtung von "missiones", die eine gewisse Erleichterung für Teile der ärmsten Schichten der Gesellschaft gebracht haben. Auch konnten in manchen Staaten die Löhne gesteigert werden, doch harrt das Problem der Massenarmut noch immer einer Lösung.
 
 
 
 
 
 
Quellen:
Roland, M. (Hrsg.): GEOGRAPHIE. Lehrbrief 11, Dr. Roland GmbH, Auflage 12/2015, Wien
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3APortrait_of_Milton_Friedman.jpg (17.11.2016)
https://pixabay.com/de/vereinigte-staaten-karte-dollar-1026228/ (17.11.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marriner_S._Eccles_Federal_Reserve_Board_Building.jpg (18.11.2016)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Evo_Morales_in_Ecuador_(cropped).jpg (23.12.2022)