Theorie:

Weltweite Migration
Seit dem Jahr \(2015\), vor allem aufgrund der Syrienkrise, erlebt Europa einen neuen Ansturm von Flüchtlingen, die zu Hunderttausenden vor Krieg, Gewalt und Verfolgung, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen, flüchten.
 
Für die Industriestaaten Europas stellt sich nun die essentielle Frage welche Flüchtlinge und Migrierten sie aufnehmen wollen, können und müssen, welche Folgen dies für die Arbeitsmärkte, den Sozialstaat sowie die innere und äußere Sicherheit haben wird, und wie die Ursachen dieser Wanderbewegungen bekämpft werden können. Fest steht, dass die Asyl- und Migrationspolitik künftig nicht mehr nur im Rahmen der Nationalstaaten umgesetzt werden kann, sondern bilaterale und internationale Zusammenarbeit erfordert.
 
Flüchtlingsströme.jpg
Abb. 1 Flüchtlingsströme nach Europa
 
Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 definiert Flüchtlinge als
Menschen, die ihr Heimatland aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verlassen haben.
 
Diese Definition gilt als Grundlage des internationalen Flüchtlingsrechts und verbietet die Zurückweisung und Abschiebung von Flüchtlingen in Gebiete, in denen ihr Leben und ihre Freiheit bedroht sind. Die Vereinten Nationen haben für die Betreuung von Flüchtlingen das Amt des "Hohen Flüchtlingskommissars" (UNHCR) eingerichtet.
 
Für Auswandernde, die ihre Heimat nicht aufgrund politischer Verfolgung, sondern aus anderen , z.B. wirtschaftlichen, Gründen verlassen haben, ist in den letzten Jahrzehnten ebenfalls eine internationale Regelung entstanden, die jedoch rechtlich schwächer abgesichert ist. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO - International Labour Organization) ist für die Durchsetzung internationaler Mindeststandards für Arbeitsmigration und die International Organization for Migration (IOM) unter anderem für die Unterstützung rückkehrender Migrantinnen und Migranten zuständig.
 
Eine Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und anderen Migrierenden wird jedoch immer schwieriger bis unmöglich. Politische Verfolgung, wirtschaftliche Not und Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen sind zu einem komplexen Ursachengeflecht verwoben.
 
Künftige Entwicklungen
Es ist zu erwarten, dass die bestehenden weltweiten wirtschaftlichen Ungleichheiten weiter zunehmen werden. Die Globalisierung und vor allem die Liberalisierung des Welthandels werden den armen Regionen der Welt nicht zugute kommen, weil sie selbst keine konkurrenzfähigen Produkte anbieten können. Durch niedrige Rohstoffpreise werden ihre Einnahmen sinken und die Kluft in der technischen Entwicklung zwischen den Industrie- und Enwicklungsländern größer werden. Auch die demographischen Entwicklungen in den Entwicklungsländern dürften die internen Wanderungsbewegungen, insbesondere die Landflucht, verstärken.
 
Politische Krisen, Kriege und Gewalttätigkeiten gegen die Zivilbevölkerung tragen insbesondere zur Auslösung von Fluchtbewegungen bei. Gewalt gegen ethnische Minderheiten und gegen die Zivilbevölkerung zählen zum strategischen Instrumentarium von Bürgerkriegsparteien.
 
Janossy Gergely Shutterstock.jpg
Abb. 2 Flüchtlinge in Ungarn
 
Eine weitere Ursache für Wanderbewegungen können Umweltkatastrophen sein. Dürrekatastrophen, Überschwemmungen oder auch die Vernichtung des tropischen Regenwaldes führen regelmäßig zu lokalen und internationalen Wanderbewerbungen.
 
Soziale und politische Herausforderungen
Die immer noch andauernden Flüchtlingsströme führen zu großen sozialen und politischen Herausforderungen für die europäischen Staaten. Viele der Industriestaaten leiden unter steigender Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig ist eine Zunahme der ausländischen Beschäftigten zu beobachten. Die einheimische Bevölkerung bewertet diese Entwicklung oft widersprüchlich: Die Nichtintegration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt wird kritisiert; integrieren sich die Zugewanderten aber in den Arbeitsmarkt, werden diese als Konkurrenz betrachtet.
Gleichzeitig ist aufgrund der Überalterung der Bevölkerung der Industriestaaten und dem damit einhergehenden Anstieg der Versorgungslast für die Erwerbstätigen eine Zuwanderung und Integration in den Arbeitsmarkt unbedingt notwendig. Allein zur Kompensation der Alterslast zwischen \(2010\) und \(2020\) müsste die Zuwanderung von Menschen im erwerbsfähigen Alter in den EU Staaten \(47\) Millionen Menschen betragen.
 
Innere Sicherheit
Neben der Arbeitslosigkeit bereitet der Bevölkerung der Industriestaaten die innere Sicherheit die größten Sorgen. Vor allem die Zunahme importierter Kriminalität und von Extremismus werden befürchtet. Diese subjektiven Wahrnehmungen stimmen aber nur selten mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung überein. Ein reales Problem sind jedoch die organisierte Kriminalität und das Schleppertum. Bedenklich hierbei ist vor allem die Folgekriminalität. Viele Zugewanderte haben nicht die nötigen Mittel zur Begleichung ihrer Schulden bei den Schlepperorganisationen und rutschen daher in den Rauschgifthandel, Prostitution etc. ab.
Das zweite große Thema der inneren Sicherheit ist die Kriminalität gegen Fremde. Zum Kreis der Kriminellen in diesem Feld gehören oft rechtsextremistische Gruppen. Zudem nutzen rechtsradikale Parteien die "Überfremdung" als Parole für politische Kampagnen.
 
Download (4).jpg
Abb. 3 Demonstration der fremdenfeindlichen PEGIDA in Deutschland
 
Fallbeispiele
 
Europäische Union
In der Europäischen Union leben derzeit etwa \(20\) Millionen Menschen aus anderen Ländern - etwa \(5\)% der Bevölkerung. Der Umfang der ausländischen Bevölkerung nimmt stetig zu und es zeichnet sich eine Tendenz zur dauerhaften Niederlassung der Zugewanderten ab.
 
Nordamerika
In den USA und Kanada zeigen sich erhebliche Veränderungen hinsichtlich der Herkunftsregionen der Zuwandernden. Stammten die Eingewanderten in der Vergangenheit meist aus Europa, der Karibik oder Lateinamerika, kommt mittlerweile etwa die Hälfte aus Asien. Die illegale Zuwanderung über die mexikanische Grenze hat indes, trotz verstärkter Grenzkontrollen, stark zugenommen.
 
Afrika
Aufgrund der häufig grenzüberschreitenden ethnischen Siedlungsgebiete und der mobilen Lebens- und Wirtschaftsformen sind in vielen afrikanischen Staaten die Grenzen durchlässiger als in anderen Weltregionen. Während einige ostafrikanische Staaten infolge der Kriege und Bürgerkriege zu Herkunfts- wie auch zu Aufnahmeländern wurden, haben zentralafrikanische Länder Arbeitskräfte vor allem für die Plantagenwirtschaft und die Erdölproduktion aufgenommen.
Quellen:
 
Abb. 1 http://ffm-online.org/2014/11/03/europa-rettet-nur-noch-kurz-vor-der-kueste/ (18.04.2016)
Abb. 2 Janossy Gergely / Shutterstock.com (21.12.2022)
Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PEGIDA_Demo_DRESDEN_25_Jan_2015_116139756.jpg (13.05.2016)